Hereinspaziert – bei Sonja Eckl-Gruber!

Geborene Schaustellerin mit Leib und Seele, Barista, Geister-Synchronstimme und Chefin am Wok.

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Hallo Sonja! Der Spruch: „Schausteller wird man nicht, man wird so geboren, trifft ja bei dir, als Kind der Familie Eckl, voll zu.
Ja. Das passt wirklich sehr gut zu meinem Leben. Ich wohne jetzt in Pfaffenhofen, bin aber in München geboren und aufgewachsen. Getauft und gefirmt wurde ich aber schon auf der Wiesn, mir wurde das also mehr als nur in die Wiege gelegt. Meine Familie betrieb zwei Geisterbahnen, eine davon, der „Shocker“ damals eine Weltneuheit, hatte als Attraktion lebende Geister.

Wie muss man sich das mit den lebenden Geistern vorstellen?
Im Shocker strapazierten lebende Geister, also maskierte Darsteller, die Nerven der Fahrgäste, die in sicheren Käfigen die Geisterbahn durchfuhren. Die „Horrorvision“, der Vorläufer des Shockers, war auch schon auf spektakulärer Tour durch Japan zu sehen. 26 finstere Gestalten lauerten in den verschiedensten Ecken mit immer neuen Überraschungen. Sie waren in fluorisierendes Licht getaucht, von künstlichen Blitzen nur kurz angeleuchtet oder von Nebeln umhüllt.

Gäste, die sich nicht ins Innere der Hightech-Geisterbahn trauten, bekamen alle fünf Minuten auf einem Monitor eine Live-Übertragung aus dem stockfinsteren Shocker geliefert. Die gruseligen Geräusche waren ebenfalls hausgemacht, abgestimmt auf die jeweiligen Geister. Zu hören waren – man glaubt es kaum – vornehmlich die Stimmen unserer Familie. Erst das Tonstudio und ein Synthesizer verfremdeten diese dann so, dass der wahre Horror entstand. Mein Vater lud während der Wiesn auch Kinder aus Kindergärten ein, die beim Schminken der Geister zuschauten und sich auch selbst mal „vergeistern“ durften. Und wer wollte, konnte auch mal mit dem Shocker fahren. Ein unvergessliches Erlebnis!

Deine Familie war da mit Sicherheit viel unterwegs?
Ja, wir waren überall: Regensburg, Straubing, Düsseldorf, Hannover und auch in Holland.

Warst du auch immer mit dabei?
Mein Bruder und ich besuchten unter der Woche ein Internat, aber an allen Wochenenden und in den Ferien waren wir immer bei unserer Familie im Wohnwagen und hier traf der Spruch: „Im Kleinen liegt das große Glück“ voll zu. Uns fehlte es an nichts und wir wurden natürlich auch früher selbstständig, halfen mit im Betrieb und lernten so auch schon früh, Verantwortung zu übernehmen. 

Wie ist es auf einem Volksfest aufzuwachsen?
Es ist wie in einer großen Familie und egal, wo wir hinkamen, es waren überall auch Freunde und Leute, die wir kannten. Wir waren den ganzen Tag auf dem Gelände unterwegs, mussten uns aber immer zu jeder vollen Stunde melden, ob alles in Ordnung ist. Grundsätzlich herrschte dort ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Alle älteren Jugendlichen und die Erwachsenen sowieso haben auf uns Kinder aufgepasst und wir haben dann wiederum auf die Kleineren Acht gegeben, als wir älter wurden. Es war eine wundervolle Zeit in einer tollen Gemeinschaft, die wir da erleben durften!

Warst du dann dein ganzes Leben in der Schaustellerei?
Nein, ich hatte auch noch eine Tätigkeit außerhalb der Branche und habe den Beruf des Linergisten erlernt.

Interessant, aber ich habe wirklich keine Ahnung, was das ist.
Es geht dabei um Permanent Make-up! Dies ist eine hervorragende Alternative, denn es spart Zeit und sorgt für ein völlig natürliches Aussehen. Die Leistungen betreffen die Anwendung von Make-up der Augenbrauen, Augen- oder Lippenpartie. Dies erfordert den Einsatz professioneller Ausrüstung und spezieller Pigmente. Es ist kein einfaches Feld – man braucht gewisse Fähigkeiten, Intuition und die Bereitschaft, die Art von Make-up zu machen, durch die sich der Kunde schön fühlt. Ich habe diese Tätigkeit sehr geliebt, aber es war für mich teilweise emotional sehr belastend, wenn ich mit schwerkranken Krebspatienten zu tun hatte. 

Wie war dann dein Weg zurück in die Schaustellerei?
Ich wurde angesprochen, ob ich nicht das Catering auf dem Bavaria Filmstudio für die Dreharbeiten der Serie Marienhof übernehmen möchte und das hat mich sofort gereizt. Dort habe ich dann auch meinen Mann kennengelernt und er war die treibende Kraft, wieder zur Schaustellerei zurückzukehren. Meine Eltern gaben kurz vor Corona ihr Fahrgeschäft auf und wir haben dann zusammen ein größeres Café betrieben. Nach Corona eröffnete ich dann unser „Café Glück“ auf der Wiesn und während des Jahres bin ich mit meinem Stand noch in anderen kulinarischen Welten unterwegs und verkaufe asiatische Nudeln.

Erzähle doch mal von deinem Café Glück
Hier habe ich wirklich viel Herzblut investiert. Unser Café ist klimaneutral zertifiziert und ich lege sehr viel Wert auf Regionalität. Wir bieten nur allerbesten Kaffee, das ist mein Steckenpferd und deshalb auch sehr wichtig für mich. So habe ich selbst auch drei Ausbildungen zur Barista absolviert. Der Barista ist ein Kaffeevirtuose, der Kaffee liebt, viel über ihn weiß, ihn gerne zubereitet, veredelt und dem Gast kunstvoll serviert. Zudem bereiten wir mit viel Liebe unterschiedlichste Crêpes zu und das alles zu sehr fairen Preisen. So haben wir mittlerweile auch ein treues Stammpublikum, das schätzt und liebt, was wir tun. Das erfüllt mich schon mit Stolz, denn mit eigener Hände Arbeit die Herzen der Menschen zu erreichen, ist etwas sehr Besonderes. In dem Zusammenhang möchte ich mich auch nochmal recht herzlich bei meinem Team bedanken, denn ich kann mir kein besseres vorstellen.

Was macht dein Team denn so speziell?
Es sind durchwegs ganz liebe Menschen, herzlich und hilfsbereit. Jeder von ihnen ist mir im Laufe der Zeit wirklich ans Herz gewachsen und wir sind mittlerweile auch wie eine Familie. Sie spenden beispielsweise ihr Trinkgeld für das Kinderhaus AtemReich. Dort finden Kinder, die nicht eigenständig atmen können, ein liebevolles Zuhause – sei es dauerhaft oder bis sie in ihrer häuslichen Umgebung leben können. Sie unterstützen mich immer und zwar weit über das normale Maß hinaus. Wir hatten z.B. einmal das Problem, dass ein Festzelt ganz in unserer Nähe unangekündigt auf einmal auch Crêpes verkaufte. Durch seine bessere Lage kamen deutlich weniger Besucher zu uns und so ging leider viel von unserem Umsatz verloren. Mein Team hielt dann ganz spontan eine Versammlung ab, auf der sich jeder „ganz dringende“ Termine ausdachte, die er unbedingt wahrnehmen musste, nur um so seine Arbeitszeiten zu reduzieren und mich dadurch finanziell zu entlasten. Wer macht denn sowas? Nur ganz liebe Menschen mit großem Herzen.

Ein Tag bei dir auf der Wiesn, wie lange dauert der?
Unser Café hat von 10:00 – 23:30 Uhr geöffnet, am Wochenende von 9:00 – 24:00 Uhr. Ich bin spätestens um 8:00 dort und versuche so um 01:00 nach Hause zu gehen. Das sind schon lange Tage und sehr kurze Nächte. Wir Schausteller aber lieben unsere Tätigkeit einfach, da kommt Beruf wirklich noch von Berufung.

Wie war Corona für euch? Das muss doch eine Katastrophe für euren Berufsstand gewesen sein, oder
Absolut, anders kann man das wirklich nicht beschreiben. Uns wurde über Nacht praktisch die Existenzgrundlage entzogen und es ging nicht nur um Umsatzeinbußen, sondern wirklich um das blanke Überleben. Wir haben dann eine Protestfahrt nach Berlin organisiert, an der über 10.000 Schausteller-Betriebe teilnahmen. Dadurch konnten wir doch einiges an Hilfen für unsere Branche auf den Weg bringen und so, trotz massiver Umsatzverluste, zumindest das Überleben vieler Kollegen sichern. Volksfeste und Jahrmärkte sind schützenswert. Sie sind Teil unserer Kultur, sichern Arbeitsplätze und bereiten den Menschen Freude. Studien haben ergeben, dass solche Veranstaltungen Stresshormone reduzieren und sich sogar positiv auf Depressionen auswirken!

Also, Frau Barista, der Begriff ist ja geschlechtsneutral, sag uns mal, wie kommt man von Kaffee auf asiatische Nudeln? Der Zusammenhang, sollte es ihn geben, erschließt sich mir nicht auf Anhieb.
Es gibt auch keinen. Ein Freund von mir hatte für ein Volksfest noch einen Stand mit asiatischen Nudeln gesucht und mich gefragt, ob ich das denn nicht übernehmen möchte. Ich kam dazu praktisch wie die Jungfrau zum Kind, aber mir gefiel die Idee und Herausforderungen reizen mich seit jeher. Als Schausteller musst du flexibel sein und Improvisieren gehört sowieso zu unserem Repertoire. Wir servieren Nudeln mit Fleisch, diverses Gemüse, alles sehr hochwertig, machen unsere Erdnusssauce nach eigener Rezeptur und nutzen extra für uns gefertigte Gewürzmischungen. Heute sind wir Stammgast auf vielen Weinfesten in Franken, waren auch schon überall bei Streetfood-Festivals und sind buchbar als Caterer bei allen möglichen Festen und Veranstaltungen.

Du kannst aber nicht nur Kaffee und Nudeln, sondern auch Gesang. Als ich bei der Recherche für unser Gespräch zufällig auf dein Gesangs-Video von einem Schaustellertag gestoßen bin, dachte ich mir, dass du das professionell machst.
Nein, ich bin da wirklich nur eingesprungen, weil der ursprünglich dafür vorgesehene Künstler eine Gage aufrief, die nicht zu unserem Budget passte. Also habe ich das Lied in sehr kurzer Zeit einstudiert und zugesagt. Ich habe mich da praktisch selbst ins kalte Wasser geworfen. Als ich dann auf der Bühne stand, zum ersten Mal vor über 1000 Menschen, darunter auch illustre Politprominenz wie Aiwanger, Söder und Scholz, dachte ich mir nur „Hilfe, was machst du da?“. Es lief aber echt unerwartet gut und so war die Nervosität auch sehr schnell wieder verschwunden.

Aber du hattest schon mal Gesangsunterricht?
Ja, aber wirklich nur für mich selbst, denn ich stehe nicht gerne auf Bühnen und im Mittelpunkt. Ich wollte einfach erleben und hören, was ich mit meiner Stimme so machen kann und nahm dann eine gewisse Zeit Unterricht bei Anneliese Hofmann de Boer, einer Gesangs- und Schauspiellehrerin. Bei ihr waren auch Künstler wie Stefanie Hertl, die Kessler Zwillinge oder Stefan Mross. Leider ist die Dame mittlerweile verstorben und ich habe dann auch keinen Unterricht mehr genommen.

Liebe Sonja, herzlichen Dank für deine Zeit und dass du uns einen Einblick in das spannende Leben einer Schaustellerfamilie gewährt hast. Ich wünsche dir immer schönes Wetter, gute Gesundheit und viel Erfolg bei all deinen Veranstaltungen. Mögen dein Kaffee nie kalt und die Nudeln nie alt werden! (Bernd Schlemmer für den KHV)