Böllerschützen im Kultur – und Heimatverein Jesenwang/Pfaffenhofen

„Um der Zukunft willen soll der Mensch die Vergangenheit hochhalten“ (Jeremias Gotthelf)

Helmut Tengg-Schlemmer, Böllerschützenmeister KHV (Handböller, Kanone, Standböller/Sirius), mit Frau Claudia.

Traditionsbild – Umzug/Fahnenträger: Schellmann Hans und Kanonier: Hildebrandt (Bergkirchen)

Böllerschießen als Brauchtum: 

Die Entstehung des Böllerschießens:

Das Böllerschießen hat eine äußerst lange Historie, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Zu dieser Zeit wurde an hohen kirchlichen Fest- und Feiertagen vor den Kirchen geböllert, um das Wort Gottes und seine Macht eindrucksvoll zu unterstreichen. Zu diesem Zweck wurden damals entsprechende Böllervorkehrungen vor den Kirchen platziert. Man darf jedoch davon ausgehen, dass das Erzeugen von akustischen Geräuscheffekten nicht erst nach Erfindung des Schießpulvers aufkam, sondern seinen Ursprung weit vor diesem Zeitraum fand. Der bei den Menschen tief verwurzelte Aberglaube, gepaart mit kirchlicher Dogmatik, war Ausgangspunkt für dieses Brauchtum. Schon im frühen Mittelalter wurden in den Raunächten oder der Walpurgisnacht Geister, Dämonen und schwarze Mächte mit schallenden Geräuscheffekten, erzeugt durch Glockengeläut oder Goaßler, vertrieben. Ob zur Wintersonnwende, zum Erwachen der Natur, bei der Vertreibung des Winters, oder beim Johannischießen zur Sommersonnenwende, in vielerlei spirituellen und kirchlichen Brauchtümern wurde das Böllern zur Erzeugung von akustischen Geräuschen verwendet.
Besonders in den Bergen und vor allem im Voralpenland war es üblich, an den bedeutendsten Raunächten der Weihnachtszeit zu schießen. Bei den Raunächten handelt es sich um die zwölf Weihnachtstage vom 25. Dezember bis zum 6. Januar.
Es gibt unzählige Bräuche und Überlieferungen zum Ursprung des Böllerschießens. Jedoch ist aus dem Frankenland, in der Alpenregion insbesondere Österreich und der Schweiz, sowie im Voralpenland nachweislich das Böllern mit Ursprung im schwarzen Mittelalter überliefert. Egal aber in welcher Region, stets wurden im Ursprung, die „Drei“ Schüsse abgefeuert.
Bei Hochzeiten, Taufen, besonderen Feierlichkeiten oder Beerdigungen wird stets die Zahl „Drei“ verwendet, wie es sonst auch bei der Salve (Salut genannt) dreimal angewandt wird. Das dreimalige Ursprungschießen verkörpert: das Abgeschlossene, das Vollendete und das Vollständige.

Kirchliche Feste an denen Böllerschützen die Zeremonien begleiten:

Ostern, Fronleichnam, Heiliger Abend und Weihnachten, Patronatsfeste (z. B. an den Festtagen der Schutzheiligen Barbara, Sebastian und Hubertus), Kirchweih, Beerdigungen und Totensonntag.

Gebet für Böllerschützen:

Allmächtiger Gott, Vater, bitte für uns, dass wir die Verantwortung unseres Tuns nicht vergessen, dass wir uns den Gefahren stets bewusst sind, dass wir die Böller niemals gegen Mensch und Tier richten, dass wir uns in der Böllergemeinschaft einbringen, dass wir Gemeinschaft und Brauchtum fortführen und prägen, dass wir die Vernunft erhalten, bei Gefahr nicht zu schießen.

Schutzpatronen der Böllerschützen:

  • Heiliger Sebastian
    In unserer Gegend als Patron der Schützen (Soldaten und Schützenbruderschaften) bekannt, als Schutzherr gegen Krieg, Hunger und Pest. Sebastian gilt als römischer Märtyrer, wahrscheinlich aus der diokletianischen Verfolgung zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Katholischer Gedenktag am 20. Januar.
  • Heilige Barbara (Schutzpatronin der Artillerie)
    Nach alter Überlieferung ist die Heilige Barbara die Schutzpatronin aller, die mit Schießpulver und Sprengstoffen arbeiten. Sie gilt u.a. als Schutzpatronin der Artillerie, Glöckner, von Bergleuten, Geologen, Feuerwehrleuten, Architekten und Helfern des Technischen Hilfswerks (THW). Die katholische und griechisch-orthodoxe Kirche begeht seit dem 12. Jahrhundert den 4. Dezember als Gedenktag. Zu Ehren der Schutzpatronin der Böllerschützen, der heiligen Barbara von Nikomedien, wird jedes Jahr in vielen Regionen ein Böllerschießen veranstaltet.

Weltliche Feste:

Volkstrauertag, Neujahr, Fahnenweihe, Vereinsjubiläum, Eröffnung öffentlicher gemeindlicher Feste, Aufstellung Maibaum, (Wecken) auch bei Traditionsfesten und Brauchtumsveranstaltungen, Raunächte, Ehrensalut für Persönlichkeiten, usw.

Theologische Anmerkungen zum Böllerschießen:

Was die Theologen des Mittelalters bewog, Schwarzpulver herzustellen oder aus dem chinesischen Kulturkreis zu übernehmen, ist nicht überliefert. Es werden Beweggründe vermutet wie ein spirituelles, geistliches Interesse zur Begrüßung des Allerheiligsten oder Anlässe, um das Dämonische zu vertreiben. Der akustische Geräuscheffekt offenbart zwei Ziele. Zum einen die Anmut und Begrüßung des Göttlichen, zum anderen die Abwehr des Dämonischen. Der laute Geräuscheffekt des Knalls löste im Mittelalter bei den Menschen eine unheimliche Wirkung aus. Das unmittelbare Ergriffensein von der plötzlichen Gegenwart Gottes hat den damaligen Menschen in seinen Bann gezogen. Der Knall erinnert heute noch an schreckliche Explosionen und Ereignisse des Krieges. Dessen Erinnerung soll uns vor Gleichgültigkeit und Leichtsinn bewahren und uns bewusst werden lassen, dass der Friede ein Geschenk Gottes darstellt.

Böllerschießen, Brauchtum und Historie:

Böllerschießen ist die Pflege alten Brauchtums und hat sich zum Volksbrauch entwickelt. Es wird seit vielen Jahrhunderten ausgeübt. Der Mensch hat schon in frühester Zeit Hilfsmittel beansprucht, um Lärm und Geräusche zu erzeugen. Hierbei diente das Geräusch als Warnung und Abwehr, zum Vertreiben von Geistern und Dämonen, als Ausdruck von Freude und Begeisterung und das Wecken wie das Vorantreiben des Wachstums.

Anmerkung:

Die Brauchtumssparte Böllerschützen des KHVs Jesenwang/Pfaffenhofen verfährt ausschließlich nach den gültigen Sicherheitsvorschriften für Böllerschützen. Die Kommandoabfolge kann akustisch per Ansage und/oder visuell – wie z. B. mit Säbel und Handzeichen erfolgen. Das Böllerschießen wird stets an einem geeigneten Schießplatz mit entsprechendem Sicherheitsabstand durchgeführt, um unzulässige Lärmemissionen zu vermeiden. Die Auswahl des Schießplatzes erfolgt durch die Böllerschützen. Jedoch wird das Schießen im Ortskern, bei wohnwirtschaftlichen Gebäuden, insbesondere in der Nähe von Altenheimen oder Kindergärten und Schulen nicht durchgeführt. Um störenden Lärm zu vermeiden, werden über die Bestimmungen und vorgeschriebenen Sicherheitsabstände hinaus auch zusätzliche Akustikabstände vorgenommen Die Ausübung und Gestaltung des Böllerschießens obliegt ausschließlich dem KVH. Eine Anfrage zur Ausübung des Böllerschießens kann nur schriftlich an den Vorstand bzw. an den Schützenmeister gerichtet werden. Anlässe dafür sind u.a. Hochzeiten, große Vereinsfeiern, hohe kirchliche Feiertage oder Beerdigungen. Der KHV verfügt über den erforderlichen Versicherungsschutz.

(Helmut Tengg-Schlemmer, Böllerschützenmeister KHV Jesenwang/Pfaffenhofen)

Quellen: Bayerischer Sportschützenbund e.V., Sicherheitsregeln für Böllerschützen, Wikipedia und Böllerverordnungen von Böller- und Schützenvereinen.