Servus Claudia, Heimatmensch und Menschenfreund aus Jesenwang

Claudia Schlemmer spricht mit uns über ihr Leben, ihre Leidenschaften, den Beruf und ihr „Arbeitstier“, den Kuckuck, der eigentlich gar keiner ist.

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Claudia, du bist verheiratet und hast zwei Kinder, Lisa-Marie und Benedikt. Welchen Beruf hast du erlernt
Ich habe am Landgericht München 2 den Beruf „Beamtin im mittleren nichttechnischen Dienst“ erlernt. Wir beschäftigen uns mit den rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekten der Gerichtsbarkeit im Sitzungsdienst wie auch in der Geschäftsstelle. Ich war danach im Vollstreckungsgericht FFB und Landsberg und habe dann von 2002-2004 noch die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher an der Justizschule Pegnitz absolviert.

Das ist jetzt auch dein Beruf, selbständige Gerichtsvollzieherin für das Amtsgericht FFB. Was genau bedeutet das?
Der Gerichtsvollzieher ist ein selbständiges Organ der Zwangsvollstreckung und zugleich Beamter. Er hat die Aufgabe, Urteile und Vollstreckungstitel zwangsweise zu vollstrecken sowie Schriftstücke zuzustellen. Dazu gehört die Zwangsvollstreckung von beweglichem Vermögen und dessen Versteigerung, die Zwangsräumung von Wohn- und Gewerberäumen, Wegnahme von Personen und Sachen, Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und auch Verhaftungen.

Was davon fällt am meisten an?
Nicht bezahlte Rechnungen einfordern – das Konsumverhalten hat sich sehr verändert – Räumungsklagen, Lohnpfändungen und leider auch Kindeswegnahmen, der absolut schlimmste Teil meiner Tätigkeiten.

Oh Gott, allein schon der Begriff „Kindeswegnahme“ ist ja schrecklich. Wann kommt es dazu und wie sieht das in der Praxis aus?
Wenn eine dringende Gefahr für das Kind oder den Jugendlichen besteht, kann er/sie vorübergehend in den Verantwortungsbereich des Jugendamtes überstellt werden, immer zum Wohle des Kindes und als letzte Möglichkeit! Kinder und Jugendliche können sich auch selbst in Obhut des Jugendamtes begeben, indem sie sich zum Beispiel bei einem Kinder- und Jugendnotdienst oder dem Jugendamt melden. Aber auch andere Personen oder Stellen wie die Polizei oder Schule können zum Schutz eines Kindes oder Jugendlichen das Jugendamt auf die gefährdende Situation aufmerksam machen. Das Kind oder der Jugendliche kann dann – je nach Alter und individueller Situation – bei einer geeigneten Person, z.B. in einer Pflegefamilie, oder geeigneten Einrichtung, wie einer Mädchenzufluchtsstätte, untergebracht werden. Solche Termine nehme ich dann gemeinsam mit der Polizei und dem Jugendamt wahr und bin diejenige, welche den Erziehungsberechtigten die Nachricht überbringt. Es ist wie gesagt der schlimmste Bereich meines Berufes, aber sowas wird ja auch nicht einfach willkürlich entschieden, es ist meist sehr offensichtlich und immer zum Besten für das Kind. Mit diesem Wissen kann ich dann auch einigermaßen damit umgehen und das Ganze verarbeiten.

Jetzt müssen wir natürlich auch über den ominösen Kuckuck sprechen, der ja gar keiner ist. Der Begriff hat seinen Ursprung im Aussehen der älteren Siegel. Auf diesen war damals der preußische Reichsadler abgebildet, was zu der höhnischen Bezeichnung „Kuckuck“ geführt hat. Wie läuft dieser Prozess ab?
Das Pfandsiegel – immer die letzte Instanz, es gibt vorher bis zu fünf Aufforderungen (Rechnung, Mahnung, Titelzustellung, etc.!) – wird im Zuge der Sachpfändung von einem Gerichtsvollzieher auf der zu pfändenden Sache angebracht. Dies dokumentiert dann die Beschlagnahmung des Gegenstandes öffentlich und schafft die gleiche Rechtslage, als ob der Gerichtsvollzieher den Gegenstand in Gewahrsam genommen hat. Somit dient das Pfandsiegel der Zwangsvollstreckung beim Schuldner. Erforderlich ist auch hier, dass ein vollstreckbarer Titel gegen den Schuldner vorliegt. Dies kann zum Beispiel ein Vollstreckungsbescheid oder ein gerichtliches Urteil sein. Die Wertermittlung der gepfändeten Gegenstände erfolgt durch mich, gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Sachverständigen. Ebenso regele ich die Zahlungsmodalitäten. Sehr oft werden hier Ratenzahlungen vereinbart, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, die Schulden zu tilgen und parallel dazu eben auch ihr normales Leben fortführen zu können. Mir ist es sehr wichtig, den Menschen zu helfen, ihre Probleme zu lösen und auf absehbare Zeit schuldenfrei zu werden, wann immer die Möglichkeit dazu besteht.

Siehst du da einen Trend, dass immer mehr Menschen, auch unverschuldet, in finanzielle Schieflage geraten?
Leider ja. Die Miete liegt oft schon bei über fünfzig Prozent des Nettoeinkommens und obwohl die Leute arbeiten, reicht das Geld dann häufig nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir sind mittlerweile zehn Gerichtsvollzieher am Amtsgericht FFB und ich allein bearbeite ca. 1700 Fälle pro Jahr. Dies macht dann schon das Ausmaß der finanziellen Probleme der Menschen deutlich.

Gab es auch schon kniffelige Situationen, in denen du in Gefahr geraten bist? Ich kann mir vorstellen, nicht alle Menschen freuen sich, wenn du sie beruflich besuchst!
Das kommt vor, sehr selten zwar, aber es passiert. Bei heiklen Aufträgen trage ich dann eine Stichschutzweste und habe auch mein Pfefferspray dabei. Beschimpfungen und Beleidigungen kommen des Öfteren vor, da muss man sich halt ein dickes Fell zulegen. Ich wurde auch schon mit einem Messer attackiert, aber das ging zum Glück glimpflich aus und der Schuldner hat sich dann auch bei mir entschuldigt, also alles wieder gut. Wenn ein gefährlicher Einsatz absehbar ist, wende ich mich an die Polizei in FFB. Hier auch ein großes Lob und vielen Dank an die Dienststelle, alle dort sind immer sehr professionell und hilfsbereit!

Ich hatte dich ja im Eingangstext als Menschenfreund bezeichnet. Bei dir sieht man sofort, du magst Menschen, hilfst, wann immer du kannst, und hast immer für jeden ein Lächeln und ein nettes Wort. Wenn wir gemeinsam feiern, kommt von dir sofort die Frage: „Kann ich helfen, was soll ich mitbringen?“, und wie ich gehört habe, bedanken sich sogar deine Schuldner und würden dir am liebsten etwas zu Weihnachten schenken.
Stimmt. Natürlich dürfen wir keine Geschenke annehmen, aber es kam schon häufiger vor, dass Leute sich bedankten. Sie merken gleich, dass ich eigentlich nur das Beste für sie will und helfe, wann und wo immer ich kann. Mein vorrangiges Ziel, parallel dazu, dass die Schulden getilgt werden, ist immer auch, dass die Menschen ihre finanziellen Probleme so gut und schnell wie möglich wieder in den Griff bekommen, um ihr normales Leben schuldenfrei weiterleben zu können.

Du bist ja auch schon seit geraumer Zeit politisch interessiert und auch lokal engagiert.
Ja. Politik und was sie für die Menschen tun kann, darum geht es ja schließlich, hat mich schon immer interessiert. Irgendwann ist dann eben auch der Gedanke gereift: Warum nicht auch mal selbst anpacken und mitgestalten? So habe ich als Gemeinderätin kandidiert und wurde auch gleich gewählt. Mittlerweile bin ich in meiner zweiten Amtsperiode und insgesamt bereits zehn Jahre in einem tollen Team tätig.

Welche speziellen Aufgaben liegen unter anderem in deinem Aufgabenbereich?
Ich bin Mitglied im Finanz- und Rechnungsprüfungsausschuss, Referentin für Schule, Mitglied im Schulverband sowie im Rechnungsprüfungsausschuss der VG-Mammendorf und VG-Ratsmitglied.

Gerade im Schulverband, kann ich mir vorstellen, gibt es jede Menge Herausforderungen. Speziell auch vor dem Hintergrund der wachsenden Gemeinden und der damit verbundenen Anforderungen in Bezug auf die Betreuungsangebote.
Genauso ist es. Immer mehr Mütter müssen dazu verdienen und so ist es unumgänglich, dass wir im Schulverband darauf nicht nur reagieren, sondern gewisse Entwicklungen eben auch schon antizipieren, um uns so rechtzeitig für zukünftige Anforderungen zu positionieren.

Wie ist dieser Versand besetzt und in welchen konkreten Projekten seid ihr gerade involviert?
Im Schulverband befinden sich die Bürgermeister der drei Gemeinden und drei Gemeinderäte. Ein ganz wichtiges Thema, welches seit Jahren aktuell ist und es auch noch bleiben wird, ist die Nachmittags-Betreuung der Kinder. Momentan nutzen bereits ca. 100 Kinder unsere Angebote, das sind 50 % der Schüler, Tendenz steigend. Dies ist natürlich alles mit viel administrativen Aufgaben, intensiven Vorbereitungen und Planungen verbunden. Auch die dafür geeigneten Mitarbeiter zu finden, ist eine Herausforderung. Bei alldem müssen wir auch immer den Spagat zwischen Qualität und Kosten schaffen, denn es macht keinen Sinn, wenn Mütter arbeiten und dann wieder einen erheblichen Teil ihres Gehalts in die Kinderbetreuung investieren müssen.

Was sind deine Tätigkeiten in den anderen VG-Bereichen?
Die Rechnungsprüfung findet einmal im Jahr statt, für die Gemeinde Jesenwang, den Schulverband und die VG-Mammendorf. Wir überprüfen dabei alle Ausgaben und Einnahmen der VG und geben unser Feedback dazu. Dies ist eine sehr zeitintensive Aufgabe, vor allem die Vorbereitung zu Hause. Im VG-Rat geht es um Themen wie Gebäude-Erweiterungen oder Neubau sowie auch den Personalbereich.

Genug gearbeitet. Was machst du am liebsten in deiner Freizeit?
Zeit mit meiner Familie verbringen, sei es im Urlaub, daheim oder auf kleineren Ausflügen wie Städtereisen. Wir sind alle Vier gut eingespannt und so genießen wir die gemeinsame Zeit ganz besonders. Wir besuchen Konzerte, Kabaretts, gehen gern Essen und in die Berge oder machen einfach mal eine Kneipentour. Eine große Leidenschaft von mir sind Antiquitäten. Mit sechzehn Jahren habe ich auf dem Speicher meiner Eltern einen alten Schrank entdeckt, den ich dann gemeinsam mit meinem Vater restauriert habe. Diese Tätigkeit, etwas Altem zu neuem Glanz zu verhelfen, hat mich sofort in den Bann gezogen und nie mehr losgelassen. Wir leben ja eh in einer sehr schnelllebigen Gesellschaft, wo man sich einfach mal von Dingen trennt und sie durch Neues ersetzt. Mein Motto ist da eher: „aus Alt mach Neu“, das bringt Spaß und schont die Umwelt. So sammele ich leidenschaftlich Antiquitäten: Möbel, Geschirr, Accessoires oder auch Dirndl, z.B. die von meiner Mutter. Diese habe ich wieder auf Vordermann gebracht und trage sie wahnsinnig gern und mit Stolz, auch als Erinnerung.

Wo findest du deine Sammlungen?
Früher waren wir sehr viel auf Flohmärkten, Versteigerungen und Wohnungsauflösungen unterwegs, aber auch im Internet kann man großartige Sachen finden. Mittlerweile, auch aus Platzgründen, muss ich meine Aktivitäten etwas reduzieren und erweitere meine Sammlung nur noch sehr punktuell.  Als „Antiquitäten-Sammler und Jäger“ kann ich mich auch nur sehr, sehr schwer von Dingen trennen und muss so meine Projekte gut auswählen. Ich liebe es ja, auch selbst mit Hand anzulegen, um Sachen zu restaurieren. Eines meiner Lieblingsstücke ist eine alte Werkbank, die ich restauriert und zu einem Schreibtisch umgebaut habe – ich liebe diesen Tisch und seine Geschichte. So habe ich die Werkbank in die Gegenwart überführt, denn es wird immer noch darauf gearbeitet, nur eben anders.

Was machst du noch gern, wenn du Zeit hast?
Ich liebe Yoga und praktiziere das zweimal in der Woche abends und täglich nach dem Aufstehen, weil das dann ein ganz toller Start in den Tag ist. Zudem gehe ich momentan auch zweimal die Woche morgens zum Schwimmen ins Freibad nach Mammendorf. Ich bin begeisterte Skifahrerin, spiele gerne Schafkopf und auch Bergsteigen und Reisen bereiten mir viel Freude. Als Ausgleich zu meinem Berufsalltag liebe ich es auch, in meinem Garten zu arbeiten. Zudem bin ich als Gründungsmitglied im KHV Jesenwang/Pfaffenhofen gerne aktiv und helfe bei Veranstaltungen und Events aller Art.

Du hat schon sehr viel von der Welt gesehen, was steht als Nächstes an?
Heuer geht es nach Albanien, da freue ich mich schon sehr, denn es ist ein Land, von dem die meisten Menschen, auch wir, fast nichts wissen oder kennen. Ganz toll und interessant waren auch meine Reisen nach Asien, die mich auch zu einem gewissen Teil geprägt haben. Ich war in Singapur, Thailand, Indonesien, Malaysia, Indien, Pakistan, Nepal und Sri Lanka. Insgesamt habe ich dort zweimal sechs Monate unbezahlten Urlaub verbracht. Einen sehr beeindruckenden Aufenthalt, der wirklich auch mein Leben zu einem bestimmten Grad veränderte, hatte ich bei tibetischen Mönchen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, im Norden Indiens. Da begann auch mein Einstieg ins Yoga. Ich durfte dort sehr fromme, hilfsbereite und genügsame Menschen kennenlernen, die ihr Glück im Glauben und im spirituellen Leben gefunden haben, ganz ohne materielle Werte. Ab dem Moment realisierte ich dann auch erstmals bewusst, wie gut es uns in Wirklichkeit in Europa und speziell in Deutschland geht. Dies ist etwas, das wir uns, trotz einiger Probleme, auch immer wieder vor Augen führen sollten. Unsere Lebensqualität und die Umstände, in denen wir aufwachsen und leben dürfen, sind keine Selbstverständlichkeit und wir alle sollten das viel mehr schätzen!

Was ist ein Traum von dir, den du dir noch gern erfüllen möchtest?
Ein alter Bauernhof, auf dem ich meine eigene Werkstatt habe, in der ich basteln, bauen, malern und restaurieren kann. So zu leben, gemeinsam mit meinen Lieben und dazu auch noch ein paar Hühner und ich hätte alles, was ich brauche, um glücklich zu sein!

Liebe Claudia, vielen herzlichen Dank für deine Zeit und die interessanten Einblicke in dein Leben und Wirken. Es ist beeindruckend, zu sehen, was du alles geschafft hast, wie du dich für andere Menschen einsetzt, immer positiv nach vorne blickst und wirklich liebst, was du tust!
Claudia, Menschenfreund und Heimatmensch – bleib, wie du bist und mach so weiter!