Im Gespräch mit Hermine Heinrich

Wir sprechen mit Künstlerin und Hebamme Hermine Heinrich über ihren Werdegang als Malerin und über ihre Tätigkeit als Hebamme.

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Hallo Hermine, du hattest bisher ein sehr abwechslungsreiches Leben. Zwei Berufe, als Künstlerin mit durchaus unkonventionellem Start, mehrere Wohnortwechsel und du bist auch zweifache Mutter.
Ja, mein definitiv wichtigstes Projekt;-). Mein Mann und ich haben zwei wunderbare Töchter, Maria, einundzwanzig Jahre alt, und Emma, siebzehn Jahre alt. Auch beruflich habe ich wirklich schon einiges gemacht und erlebt, Langweile kenne ich also definitiv nicht.

Du bist gebürtige Allgäuerin. Wie, wo und womit begann deine berufliche Laufbahn?
Ich wurde 1973 in Kaufbeuren im Allgäu geboren und wollte schon früh auch was anderes sehen und erleben. Von 1990 – 1993 absolvierte ich meine Ausbildung zur Hebamme in Bamberg. Meine erste Tätigkeit begann ich 1993 in einem Krankenhaus in Blaubeuren, eine Stadt im Alb-Donau-Kreis im Osten von Baden-Württemberg. 1998 dann hatte ich den Wunsch, mich nochmal beruflich zu verändern und habe dann von 1998 – 2000 auf der Berufsoberschule Neu-Ulm mein Abitur nachgeholt. Meine damalige Zimmergenossin studierte Kunstpädagogik und das hat mich sehr inspiriert. Ich ging dann im Jahr 2000 einfach unangemeldet in Kunstkurse an der Universität Regensburg und begann dort noch im selben Jahr mein Studium der Kunstpädagogik und Germanistik. 2002 wechselte ich dann an die LMU München, um das Studium fortzusetzen und bin dafür nach Germering gezogen. Da ja unsere Töchter 2001 und 2005 geboren wurden, musste ich das Studium nach der Magister-Zwischenprüfung abbrechen, um auch wieder Geld zu verdienen. 2008 begann ich dann wieder fest als Hebamme zu arbeiten.

Der Begriff Hebamme ist natürlich für jeden ein geläufiger Begriff.
Was genau aber macht eine Hebamme alles? Da geht es ja heute nicht mehr nur um die Betreuung bei der Geburt.
Ja, Hebammen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung und Begleitung von Frauen: Der Hebammenberuf beinhaltet die umfassende Beratung, Betreuung und Beobachtung von Frauen in der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Wochenbetts und der Stillzeit. Dazu gehört auch die selbständige Leitung von Geburten sowie die Untersuchung, Pflege und Betreuung von Neugeborenen und Säuglingen. Wichtig dabei ist natürlich die Überwachung des Geburtsvorgangs von Beginn der Wehen an und die Durchführung einer normal verlaufenden Geburt. Dies gehört zu den Aufgaben, die uns sogar nach dem Hebammengesetz ausdrücklich vorbehalten sind. In unserem Beruf führen sie dazu, dass Ärzte eine Hebamme zur Geburt sogar hinzuziehen müssen. Darüber hinaus betreuen Hebammen die Mutter und das Neugeborene im Wochenbett. Dies umfasst einen Zeitraum von zwölf Wochen und es geht dabei um das Wohl sowie den Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit von Mutter und Kind. Dabei wird auch immer die familiäre Gesamtsituation betrachtet und bewertet, um ein individuelles Konzept für die optimale Unterstützung zu erstellen.

Das machst du immer noch?
Ja, aber mittlerweile lege ich den Fokus auf die Rundumbetreuung vor und nach der Geburt. Das beginnt teilweise beim positiven Schwangerschaftstest und geht, situationsbedingt, durchaus weiter bis zu neun Monate nach der Geburt. Bei mir leitet sich das Wort Beruf wirklich noch von Berufung ab. Ich bringe mich da voll ein und bin wirklich mit Herzblut dabei. Deutschland ist leider immer noch ein Hebammen-Entwicklungsland. Der Beruf ist, insbesondere im Hinblick auf unsere Arbeitszeiten und Verantwortung, sehr schlecht bezahlt und besitzt keinerlei Lobby in wichtigen Gremien oder der Politik. Wirklich traurig, wenn man sich die Verantwortung betrachtet, die wir für Mütter sowie Kinder und somit unsere Gesellschaft übernehmen.

Jetzt zu deiner zweiten großen Leidenschaft, der Kunst. Du hast deine Galerie in Jesenwang 2010 eröffnet und bist gerade erst letztes Jahr für eines deiner Werke ausgezeichnet worden (zweites Foto in der Galerie oben).
Ja, ich war eine Preisträgerin im Bereich Emergenz in einem vom Förderverein für kulturelle Bildung Eichenau ausgeschriebenen Wettbewerb.

Gratulation! Könntest du uns jetzt bitte noch erklären, was Emergenz bedeutet und warum genau du den Preis bekommen hast?
Immer gern. Emergenz, lateinisch „emergere“: „auftauchen“, „herauskommen“, „emporsteigen“, passt auch gut zur Hebamme ;-), bezeichnet die Entstehung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente. Die Jury hat meinen Beitrag, der das Thema aus ihrer Sicht sozio-emotional interpretierte, mit dem zweiten Platz gewürdigt. Bei meinem Werk handelt es sich um ein kleines Gemälde auf Holz. Es stellt eine moderne Votivtafel dar, ein Exvoto, wie es tatsächlich auch genannt wird, abgeleitet von dem lat. ex voto: aus einem Gelübde heraus. Dieses Votivgemälde knüpft somit an die Tradition katholisch-ländlicher Volkskunst an.

Wie lange dauert die Umsetzung eines solchen Projektes und wie kommen dir die Ideen dafür?
Diese Idee kam mir einfach so, ich hatte das irgendwann im Kopf. Für die komplette Umsetzung brauchte ich ca. acht Monate. Ich male oft nur spätabends und nachts, wenn ich mal Zeit für mich und die erforderliche Ruhe habe. Für so etwas muss der Kopf frei und der Terminkalender leer sein. Man kann nicht einfach sagen: „Ich habe jetzt eine Stunde Zeit und male schnell weiter.“ Beim Malen bin ich sehr perfektionistisch und selbst mein stärkster Kritiker. Ich würde nie ein Bild übergeben, mit dem ich nicht auch selbst zu einhundert Prozent zufrieden bin. So dauert dann ein Bild eben auch mal mehrere Monate bis zur Fertigstellung.

Wie entstehen deine Bilder? Malst du Motive in Eigeninitiative oder kommen die Leute zu dir und bestellen Bilder?
Hauptsächlich handelt es sich um Auftragsmalerei nach Wünschen und Vorstellungen meiner Kunden.

Handelt es sich dabei um Ölgemälde?
Nein, zumindest noch nicht. Ich nutze Acrylfarben, also Farbmittel, die auf Kunststoffdispersionen basieren. Sie sind mit Wasser verdünnbar und härten dann zu einer wasserfesten Beschichtung aus.

Gibt es da ein Gemälde, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, da fällt mir ganz spontan ein Auftrag ein, den ich für eine Frau umsetzen durfte. Sie wollte als Geschenk für ihren Mann ein Gemälde von einem Elefanten. Die Idee fand ich super, ich war total überrascht und hab das dann mit sehr viel Freude und Spaß umgesetzt. Das ist ja auch das Schöne und Spannende an der Kunst, dass man nie wirklich weiß, was auf einen zukommt. Der Weg der Entstehung ist immer eine spannende und inspirierende Reise, die auch meist nie genau so verläuft, wie man eigentlich plant. Ein bisschen wie das Leben halt.

Hattest du auch eine Entwicklung, was deinen Stil zu Beginn deiner Laufbahn und jetzt betrifft?
Absolut. Am Anfang meiner künstlerischen Laufbahn hat mich Gustav Klimt, ein bedeutender österreichischer Maler und bekanntester Vertreter des Wiener Jugendstils, sehr begeistert. Er wirkte hauptsächlich im neunzehnten Jahrhundert und hatte für damalige Zeiten einen sehr eigenen, innovativen und durchaus progressiven Stil, der immer noch einzigartig ist. Seine Kreativität und die Art Dinge zu sehen, zu interpretieren und wiederzugeben, waren und sind eine starke Inspiration für mich. Mittlerweile bin ich künstlerisch eher in der Renaissance, die Zeit des fünfzehnten und frühen sechzehnten Jahrhunderts, zu Hause. Ich bin eine große Bewunderin von Raffael, einem italienischen Maler und Architekten. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der italienischen Hochrenaissance. Sein wohl bekanntestes Werk ist die Sixtinische Madonna. Sie begeistert Kunstfreunde und Künstler seit über fünfhundert Jahren, einfach bewundernswert!
Ich bin aber generell flexibel und sehr breit aufgestellt, meine Kunststile betreffend. Abstrakte Kunst, eine Sammelbezeichnung für nach 1900 in Erscheinung tretende Kunstrichtungen, fasziniert mich auch. Man versteht darunter das Ordnen oder Komponieren von Farben, Kontrasten, Linien und geometrischen Formen ohne absichtliche Abbildung von Gegenständen. Diese Art von Malerei ist mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack und wirkt auf den ersten Blick eher chaotisch, ist es aber nicht. Es lohnt durchaus, sich auch darauf mal einzulassen.

Was sind deine nächsten Ziele für dich als Künstlerin?
Mehr Ausstellungen besuchen, auch im Urlaub, auf Reisen. Zudem möchte ich auch Ölmalerei lernen. Wie gesagt, male ich ja momentan noch mit Acryl und zwar realistische Kunst in Richtung altmeisterlichem Stil. In der malerischen Kunst bedeutet dies, dass man sich an den alten Meistern zwischen dem dreizehnten bis achtzehnten Jahrhundert orientiert. Das würde man jetzt mit Öl malen und deshalb will mir das unbedingt aneignen. Zudem passt das auch perfekt zu meinen nächsten Projekten: ich möchte zukünftig gern Paare malen, egal ob aus Jesenwang oder berühmte Persönlichkeiten, das reizt mich momentan sehr.

Du machst ja auch viele Ausstellungen, eigene wie auch Beteiligungen, insgesamt schon über fünfzig. Was war das Thema jetzt im April bei dir im Atelier?
„Tierportraits im Meer der Farben“ und „Gestalten in Holz“ – Kunstausstellung im Doppel, so lautet der Titel der Gemeinschaftsausstellung von Katrin Hartmann, Malerin und Schmuckdesignerin und Bernhard Heinrich, mein Bruder, Holzbildhauer. Katrin Hartmann präsentierte ihre Tierportraits, farbenreich und verspielt, die sie auf Leinwände und kleine Schatullen gezaubert hat. Bernhard gestaltet lebensgroße Holzskulpturen, deren Entstehung immer ein Märchen oder eine Erzählung zugrunde liegt. Der Besuch lohnte sich also doppelt und darüber hinaus gingen zehn Prozent des Erlöses beim Verkauf eines Kunstwerkes an die Ukrainehilfe.

An welche der vielen Ausstellungen denkst du besonders gern zurück?
Ganz klar, das Kunstprojekt und Hörspiel in meiner Galerie mit meiner Schwester, Elke Heinrich, Schauspielerin und sieben weiteren bildenden Künstlern:
„Liebe Liebe, …Kunstausstellung und szenische Lesung, eine Hommage an die Liebe“.

Wer ist der Initiator dieses Projektes?
Elke und ich gleichermaßen. Die Idee dafür wurde bei einem Gespräch in der Küche unseres Elternhauses im Allgäu geboren. Wir erinnerten uns an ein Gedicht aus unserer Schulzeit, die „Sachliche Romanze“ von Erich Kästner. Dies hat uns beide damals richtig bewegt, obwohl wir es zu der Zeit wohl noch gar nicht richtig verstanden haben. Elke meinte dann plötzlich, sie wolle gern mal eine Lesung zum Thema Liebe halten und mir kam dann spontan die Idee, eine Kunstausstellung zu dem Thema zu machen. So kam eins zum anderen und wir machten uns an die Umsetzung.

Du bist ja auch Mitglied beim KHV und im Freundeskreis
Ja, ich finde das echt klasse, was der KHV hier generell auf die Beine stellt und wie er im Speziellen auch die Künstler in unseren Gemeinden unterstützt! Es gibt ja nicht nur die Kollegen, welche seit Jahren aktiv sind und somit im Ort bekannt sind. Wir haben ja auch Nachwuchs, der bis jetzt leider noch keine Gelegenheit hatte, sich und seine Werke zu präsentieren. Genau hier kommt jetzt der KHV ins Spiel. Er schafft Plattformen durch regelmäßige Veranstaltungen und Ausstellungen und auch die KHV-Website, auf denen lokal etablierte sowie auch neue Kollegen ihre Werke kunstinteressierten Bürgern präsentieren können. Zudem ermöglichen diese Veranstaltungen und Treffen den Kunstschaffenden selbst, sich untereinander besser kennenzulernen, sich auszutauschen und auch gemeinsame Projekte wie Ausstellungen auf den Weg zu bringen.

Ist es nicht schwer, gerade an so kleinen Orten, wo jeder noch jeden kennt, einfach zu beginnen, Kunst zu schaffen? Das ist doch mit Sicherheit oft nicht leicht.
Absolut, man braucht durchaus ein dickes Fell und die nötige Ausdauer, darf sich aber nicht entmutigen lassen. Van Gogh zum Beispiel arbeitete als Laienprediger, wurde entlassen und begann dann erst im Alter von 27 Jahren zu malen. Er war zeitlebens unbedeutend als Künstler und errang erst post mortem Weltruhm. Ich will damit nicht sagen, dass es viele van Goghs gibt, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Dieses Beispiel soll einfach zeigen, dass jemand auch gut sein kann, ohne so von der Allgemeinheit wahrgenommen zu werden. Deshalb mein Rat an alle Künstler und die, die es noch werden wollen:
Glaubt an euch und ja nie unterkriegen lassen! Wenn ihr mit Herzblut dabei seid, euer Bestes gebt und die Kunst liebt, macht ihr eh schon alles richtig!

Auch beim KHV-Sommerfest im Juli gab es wieder die Gelegenheit, Werke unserer örtlichen Künstler zu bewundern.
Ja und man hätte kaum einen idyllischeren Ort wählen können für das großartige Programm dieses Abends als das „Waldhäuschen“ zwischen Jesenwang und Grafrath. Kinder des Ortes präsentierten Lieder, gefolgt von einem Kindertheaterstück. Davor, danach und währenddessen hatten Groß und Klein die Möglichkeit, die Holzskulpturen von Bernhard Heinrich, die Gemälde von Christine Reichelt, Claudia Meßner, Peter Högen, Bettina Groß und mir, in Szene gesetzt durch passendes Licht, zu bestaunen. Unter dem großen Kronleuchter inmitten der Bäume konnte man mit den Künstlern ins Gespräch kommen. Musik am Klavier und der Klarinette begleiteten diese laue Sommernacht und im Licht von Mond, Sternen und der Szenerie der langsam einbrechenden Nacht ergaben sich dann nochmals neue Eindrücke dieser ersten Kunst- und Kulturnacht. Für das leibliche Wohl war natürlich auch bestens gesorgt mit frischen Wildspezialitäten vom Grill. Ein rundum gelungener Abend also. Vielen Dank dafür an den KHV und bitte macht so weiter!

Liebe Hermine, herzlichen Dank für deine interessanten Einblicke und dafür, dass du uns Bereiche der Kunst sehr gut erklärt und somit nähergebracht hast. Ich wünsche dir in deinen Berufen auch zukünftig ein glückliches Händchen und dass du so auch weiterhin dazu beiträgst, dass großartiges Neues das Licht der Welt erblickt.

(Bernd Schlemmer für den KHV)