Im Gespräch mit Johannes Winkler

Wir sprechen mit Johannes Winkler, einem der letzten noch verbliebenen Landwirte in Jesenwang über seine Leidenschaft und Berufung – die Landwirtschaft. Er erzählt uns über sein Berufsleben und wie sein Sohn Florian schon jede Menge Nachwuchs gezeugt hat.

Auf das Bild klicken, um Galerie zu öffnen.

Servus, Johannes, alter Nachbar!
Du bist verheiratet, hast vier Kinder und deine zwei ältesten Söhne, Sebastian und Florian, arbeiten auch schon seit Jahren auf eurem Hof mit. Landwirt bist du, seit ich dich kenne. Hast du zum Einstieg damals auch schon eine Ausbildung gemacht?
Ja. Meine Lehre ging über drei Jahre, mit anschließender Gesellenprüfung. Danach habe ich noch in Fürstenfeldbruck studiert und bin seitdem „Staatlich geprüfter Techniker des Landbaus“.

Was sind denn die großen Themen in einer Lehre als Landwirt mit Gesellenprüfung?
Da geht es in die Breite und Tiefe. Es wird alles gelehrt, was auf einem Hof anfallen kann, unabhängig davon, ob man später den Fokus auf Tierzucht, Milchwirtschaft oder die Bewirtschaftung von Flächen legt. Danach weißt du, wie Tiere gefüttert werden und wie man sie artgerecht aufzieht und hält, egal ob Kühe, Schweine, Ziegen, Schafe oder Hühner. Man lernt landwirtschaftliche Maschinen nicht nur bedienen, sondern auch sie zu warten und notfalls zu reparieren – vom Traktor bis zum Mähdrescher. Du erfährst, was bei der Aussaat, Düngung und Ernte auf den Feldern zu beachten ist und die richtigen Futtermischungen und Düngemittel zusammenzusetzen, abgestimmt auf die Bedürfnisse von Saatgut und Nutztieren. Du lernst, wie man nach der Ernte die Erzeugnisse richtig lagert, konserviert und vermarktet. Es werden aber auch betriebliche Geschäftsvorgänge gelehrt und wie man diese aktiv mitgestalten kann. Zudem, und das wird in der heutigen Zeit immer wichtiger, man erfährt alles Notwendige über Gesetzesvorgaben und Subventionen in Deutschland wie auch auf europäischer Ebene.

Das ist ja jede Menge an Inhalt. Was sind denn dann die Schwerpunkte beim Studium?
Da geht es dann noch viel mehr ins Detail und auch der betriebswirtschaftliche Teil ist viel intensiver. Es beginnt beim Aufbau eines Betriebes, dessen Analyse und geht über die rentable Bewirtschaftung und Mitarbeiterführung bis hin zur Ausbildung des Nachwuchses.

In der Praxis lernt man landwirtschaftliche Flächen umweltschonend und nachhaltig zu bewirtschaften, Marktfrüchte und Rohstoffe wirtschaftlich zu erzeugen, Grundfutter qualitätsgerecht zu produzieren, artgerechte Tierhaltung wie auch Milch- und Fleischerzeugung. Ein sehr breites Spektrum also, in dem man immer wieder den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Umweltschutz und dem Tierwohl schaffen muss. Das ist nicht immer einfach, gerade im Hinblick auf den Preisdruck, immer höheren Anforderungen und strengeren Vorschriften, jedoch immer spannend und abwechslungsreich – es wird definitiv nie langweilig und man lernt immer aufs Neue dazu!

Was genau sind die Rollen deiner zwei Söhne im Moment?
Florian ist voll angestellt, Sebastian macht gerade seinen Agrartechniker in Landsberg und arbeitet nebenbei mit, wann immer er kann. Beide haben Landwirt gelernt, sind Gesellen und Florian hat auch schon seine Meisterprüfung absolviert.

Beim Landwirt muss Beruf wirklich noch von Berufung kommen, wann fand deine statt?
Ich habe mich bereits als kleiner Junge sehr für das Thema interessiert und meinen Eltern bei ihren Aufgaben über die Schulter geschaut. Mit ca. zehn Jahren habe ich bereits erste Aufgaben auf dem elterlichen Hof übernommen. Die Natur und Tiere hatten seit jeher eine starke Anziehungskraft auf mich. Auch Milchwirtschaft und das Erzeugen hochwertiger Lebensmittel fand ich schon immer faszinierend und spannend.

Wie und wann fängt dein Tag so an, gibt es Routinen oder ist da jeder Tag anders?
Es gibt beides. Natürlich kommt auf einem Hof mit so vielen Tieren auch immer etwas Unerwartetes dazwischen, aber meine erste Aufgabe ist jeden Morgen gleich. Ich gehe um 6:00 auf den Hof und melke die Kühe für die Aufzucht der Kälber. Es ist wichtig, dass die Kälber in der ersten Zeit ihres Lebens, mindestens jedoch die ersten drei Tage, die sogenannte Biestmilch erhalten und dann werden sie noch drei weitere Monate mit normaler Milch getränkt. Die Biestmilch ist die erste Milch, die nach der Geburt von den weiblichen Milchdrüsen produziert und über die Zitzen abgegeben wird. Sie enthält Proteine, Enzyme, Vitamine, Mineralien, Wachstumshormone, Aminosäuren und lebensnotwendige Antikörper. Damit wird das Jungtier gestärkt und seine Immunabwehr unterstützt. Die Kälber sollen ja bereits früh nach Bedarf selbst Nahrung aufnehmen und wenn sie schon als junges Kalb an der Mutterkuh saugen, wollen sie von ihr nicht mehr weg. So übernimmt der Landwirt zu Beginn die Fütterung der Kälber.

Wie viel Vieh hast du im Moment und setzt du rein auf Milchwirtschaft?
Ja, wir sind reiner Milcherzeuger. Momentan haben wir 90 Milchkühe und 110 Jungtiere.

Wie ist da die Entwicklung, wie lange spricht man von Jungtieren, wann werden sie Milchkühe und bekommen auch selbst Kälber?
Die ersten zwei Jahre spricht man von Jungtieren. Ab dem Alter von zwei Jahren können sie dann selbst Kälber bekommen. Dies ist dann auch der Einstieg in das Leben als Milchkuh, denn nur wenn sie selbst Kälber bekommen, können sie auch Milch geben. Damit die Milch nicht wegbleibt, müssen sie danach immer einmal im Jahr selbst ein Kalb bekommen. Im Schnitt kalben Kühe fünfmal während ihres Lebens. Nach ca. acht Jahren werden die Kühe dann geschlachtet, aber das ist ein Durchschnittswert, wir haben auch Kühe, die zwölf Jahre alt sind.

Das ist ja ein richtiger Hightech-Betrieb bei euch: Die Tiere werden automatisch maschinell gefüttert und gemolken, Milch- und Futtermengen wie auch Bewegungsabläufe werden über Sensoren in den Halsbändern erfasst. Welche Daten bekommt ihr da fortlaufend und werden die auch gleich ausgewertet?
Ja, das ist ein niemals endender Prozess. Sensoren messen automatisch in Echtzeit an jedem Melkplatz u.a. die Milchmenge und den Leitwert der Milch. Abweichungen der elektrischen Leitfähigkeit vom Normalwert geben sehr früh Hinweise auf sich anbahnende Euterentzündungen. In Verbindung mit der Milchmenge und mit dem Zellzahlgehalt lassen sich so Rückschlüsse auf die Gesundheit von Einzeltieren sowie der Herde ziehen. Auch die Bewegungsaktivitäten von Kühen werden erfasst und bewertet. Wenn sich eine Kuh auf einmal viel weniger bewegt, kann dies auf eine Erkrankung hinweisen, vermehrte Aktivitäten und deutlich mehr Bewegung können ein Anzeichen dafür sein, dass die Kuh wieder rindert. Die Milch kommt dann, wenn bei den Auswertungen alles unauffällig ist, in unseren 5000 Liter fassenden Milchtank und wird dort bei vier Grad gelagert. Alle zwei Tage wird der Tank dann geleert und gereinigt.

Wie lange trägt eine Kuh?
Neun Monate und zehn Tage. Sechs Wochen vor dem Geburtstermin wird die Kuh trockengestellt, das heißt nicht mehr gemolken. Die Kühe brauchen diese Ruhephase, um genügend Energie für das finale Wachstum des Kalbs zu haben.

Wie entsteht dann bei euch der Nachwuchs, gibt es da einige glückliche Zuchtbullen auf dem Winklerhof?
Nein, wir besamen selbst, mit gesextem Sperma aus der Besamungsstation Greifenberg.

Stopp! Das muss ich jetzt genau wissen, ich leide auch gerade unter ganz schrägem Kopfkino. Wie läuft das mit dem selbst besamen und was ist gesextes Sperma?
Gesextes Sperma wird hauptsächlich in der Tierzucht verwendet, um das jeweils unerwünschte Geschlecht in der Nachkommenschaft ausschließen zu können. Beim Sexen wird Sperma nach X- und Y-Chromosomen getrennt. Wenn man zum Beispiel weiblichen Nachwuchs will, werden die Y-Chromosomen der „männlichen Spermien“ deaktiviert, damit sie nicht mehr befruchten. Wir beziehen diesen Samen aus Greifenberg und mein Sohn Florian, er ist auch ausgebildeter Besamungstechniker, führt dann die sogenannte Eigenbestands-Besamung bei uns auf dem Hof durch. Man kann aber mit diesem Verfahren nicht nur das Geschlecht und die Milchleistung, sondern auch die Fruchtbarkeit oder die Größe beeinflussen. Gerade die ist ein wichtiger Faktor, denn wenn man eine Kuh mit eher schmalem Becken hat, kann man so sicherstellen, dass diese kein Riesenkalb bekommt, welches bei der Geburt dann durch seine Größe eine Gefahr für sich selbst sowie auch das Muttertier darstellen würde. Je nach Wunsch und Anforderung variieren dann auch die Preise für Sperma stark, von zwanzig für eine normale Milchkuh bis hoch zu einhundert Euro für das Sperma eines fruchtbaren Zuchtstiers.

Ich habe noch nie so viel über Sperma gelernt wie gerade eben, erst recht nicht bei einem Mann und schon gar nicht bei einem Heimatmenschen-Gespräch! Danke, KHV und Johannes! 

Wie ist denn deine momentane Auslastung auf dem Hof, kannst und willst du noch wachsen?
Wir sind gerade dabei zu erweitern. Im Moment haben wir zweihundert Tiere und wir planen jetzt im nächsten Schritt auf zweihundertdreißig zu erweitern, mehr ist dann ohne Auslauferweiterung nicht machbar.

Wie und wann entstand eigentlich die Idee für euren Aussiedlerhof. So etwas entscheidet man ja nicht mal so schnell nebenbei. Da geht es neben der Finanzierung auch um Themen wie Strategie, Konzepte, Größe und Bewirtschaftungsoptionen.
Richtig, das ist schon ein Riesenprojekt, und zwar in allen Bereichen wie auch über einen sehr langen Zeitraum. Allein schon die sich ständig ändernden Vorgaben und Vorschriften in Bezug auf artgerechte Haltung, Tierwohl, Hygiene und Voraussetzungen für Förderungen. Da ist es echt schwer, immer den Überblick zu behalten! Es ist gut, dass man den Umfang am Anfang nicht richtig einschätzen kann, sonst würden wohl einige von so einem Projekt wieder Abstand nehmen. Ich habe mich schon früh mit dem Thema befasst und schnell erkannt, dass eine moderne, zukunftsfähige Landwirtschaft auf dem elterlichen Hof auf Grund der Größe der Stallungen nicht mehr möglich ist. 2008 begann ich mit der Planung und habe da auch immer wieder auf Berater vom Bauernverband zugreifen können, gerade für das Thema Förderung, wo wirklich sehr viel zu beachten ist. Baubeginn war dann 2017 und bereits im Herbst 2018 sind wir in auf den Aussiedlerhof umgezogen. Während der Planungsphase habe ich mich wirklich eingehend informiert und über vierzig vergleichbare Höfe besucht. Es gibt zehn davon im Landkreis FFB und in Summe nur noch fünfzig Landwirte mit Milchbetrieb im Raum FFB.

Ich kann mir vorstellen, dass es schwer war, deine Eltern davon zu überzeugen, so einen Neubau zu wagen und den Elternhof zu verlassen.
Natürlich war das nicht einfach, gerade zu Beginn der Planungen, wo noch nichts Greifbares feststand. Man muss aber auch sagen, dass dies alles alternativlos war. Entweder Neubau oder es wäre vorbei gewesen mit der Landwirtschaft, denn 2025 würde die Anbindehaltung der Milchkühe im elterlichen Hof verboten werden.

Du hast ja mit eurem Hof auch ganz krass antizyklisch investiert und gehandelt, die landwirtschaftlichen Betriebe werden ja immer weniger. Ich habe das mal kurz überschlagen. Wenn ich als Kind früher zur Bushaltestelle am Altersheim ging, bin ich an acht! Bauernhöfen vorbeigegangen, jetzt ist keiner mehr davon da, du bist ja jetzt im Aussiedlerhof.
Ja, das ist echt extrem. Vor vierzig Jahren hatten wir in Jesenwang noch an die vierzig Tierhalter, jetzt sind wir noch zu zweit. Damals waren es einhundertfünfzehn Milchlieferanten in der Liefergemeinschaft Mammendorf, jetzt sind es zweiundzwanzig. In Moorenweis z.B. gibt jetzt auch noch der letzte Milchviehhalter auf. Keine gute Entwicklung, wenn Teile der regionalen Lebensmittelerzeugung für immer verloren gehen.

So ein Projekt kann man ja allein gar nicht stemmen und sowas macht man ja auch nicht nur für sich selbst.
Absolut richtig. Ich habe von Anfang an meine Söhne auch schon in die Planung mit eingebunden und hab das Projekt auch nur in Angriff genommen, weil beide sich klar dazu bekannt haben, wie auch den Wunsch äußerten, selbst mitzuarbeiten. Dies war für mich Grundvoraussetzung, speziell wenn es wie bei uns um Milchwirtschaft geht. Diese ist zwar rentabler, jedoch auch deutlich arbeitsintensiver.

Was brauchst du denn an Futter im Jahr? Das müssen ja Unmengen sein!
Du hast unsere Futterhalle gesehen, da passt schon was rein. Wir brauchen ja 365 Tage im Jahr Futter und man hat immer etwas mehr als Reserve da, ca. vierzig Tage als Puffer, um etwaige Engpässe ausgleichen zu können. Wir kalkulieren also immer mit 400 Tagen Futter pro Jahr. Pro Tag verfüttern wir an die sieben Tonnen Grundfutter, also Mais, Gras, Heu und Stroh und dazu kommen noch ca. fünfhundert Kilo Kraftfutter, in Summe also an die 3000 Tonnen Futter pro Jahr. Das alles erzeugen wir selbst auf den von uns bewirtschafteten Flächen von ca. einhundert Hektar.

Was hast du denn da alles im Fuhrpark und reicht das aus, um alles selbst einzubringen?
Wir haben auf dem Hof fünf Bulldogs, drei Kipper, je ein Güllefass, Ladewagen und zwei Mähwerke. Ganz allein aber geht es dann doch nicht. Wir nehmen dann bei Arbeitsspitzen auch die Dienste von Josef Hollinger in Landsberied in Anspruch, der uns als Lohnunternehmer bei der Ernte, beim Dreschen und Strohpressen gute zwei Wochen pro Jahr mit unterstützt.

Was sind die großen Herausforderungen oder möglichen Gefahren in eurem Betrieb?
Da gibt es einiges, was den Erfolg unseres Betriebs beeinträchtigen kann: Große Trockenheit, Unwetter, zu viel Regen, Schädlingsbefall und dadurch bedingte Ernteausfälle, die stark gesunkenen Verbraucherpreise für Milch und Fleisch, immer neue politische Vorgaben aus Brüssel, aber auch nationale und natürlich aktuell die gestiegenen Energie- und Spritpreise sowie mögliche Energie-Verknappungen.

Eines aber ist jetzt, zumindest bei dir in eurer Konstellation, anders als früher. Du kannst jetzt auch mal ein paar Tage in den Urlaub fahren.
Ja, Gott sei Dank und das mache ich auch und genieße das sehr. Zur Zeit meiner Eltern war das undenkbar. Es gab da zwar Erntehelfer, aber das ging halt auch immer nur ein paar wenige Tage. Erntehelfer können heute aber gar nicht mehr aushelfen, weil die Technik so speziell ist, dass man sie erst vorher tagelang einweisen müsste. Bei uns geht das halt, weil Sebastian oder Florian das dann übernehmen. Es ist wichtig, dass immer jemand vor Ort ist, der sich auskennt und sofort verfügbar ist und das rund um die Uhr, 365 Tage.

Der Text dieses Gesprächs erscheint dann in der Rubrik „Heimatmenschen“ auf der KHV-Seite. Wie stehst du persönlich zum KHV?
Ich finde es richtig gut, was der KHV macht, nämlich Bestehendes, falls gewünscht, fördern und unterstützen und parallel dazu auch Neues anstoßen. Gerade die Böllerschützen sind etwas Besonderes und stellen eine Bereicherung für Pfaffenhofen und Jesenwang dar, wer hat schon so etwas? Auch das Kindertheater und die Goaßlschnalzer sind super und die Präsentation der Rauhnächte, klasse Idee. Eine tolle Initiative, KHV, macht so weiter!

Lieber Johannes, danke für deine Zeit und die vielen interessanten Informationen – da durfte ich wieder einiges lernen. Tradition bedeutet für mich nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers und genau das machst du, und zwar auf wirklich bemerkenswerte Art und Weise! So ein Investment erfordert jede Menge Risikobereitschaft sowie auch Leidenschaft und verdient höchsten Respekt, Chapeau! Ich finde es auch super, dass ihr als Familie eure Tradition der Landwirtschaft fortsetzt. Landwirte gehören zu unseren Orten und ich finde es schön, dass dies, wenn auch in reduziertem Umfang, dank euch so bleibt.
Johannes, Florian und Sebastian, ich wünsche euch gutes Wetter, reichhaltige Ernten, jede Menge Milch und weiterhin viel Erfolg mit eurem Familienbetrieb – bleibt mutig!
 (Bernd Schlemmer für den KHV)