Im Gespräch mit Matthias Kaiser senior

Wir sprechen mit Matthias Kaiser, Maschinenbaukonstrukteur im Ruhestand und Nebenerwerbslandwirt u.a. über sein Hobby, das Metallkunsthandwerk und warum es an der Zeit ist, dass es in Jesenwang wieder regelmäßig Stammtische gibt.

Servus Matthias, bei dir macht der Zusatz „senior“ wirklich Sinn, denn es besteht ja durchaus Verwechslungspotential.
Das stimmt erfreulicherweise. Mein verstorbener Vater hieß Matthias und so waren wir zu dritt, mit dem gleichen Vornamen, mein älterer Sohn heißt ja auch so. Und seit letztem Jahr sind wir wieder drei, mein Enkelsohn heißt Matthias. Es freut mich natürlich schon, dass diese Namenstradition bei uns fortgesetzt wird!

Nachwuchstechnisch ist also einiges geboten im „Kaiserreich“;-)!
Ja, Gott sei Dank. Es ist schön, wenn man sieht, dass es weitergeht. Mein Sohn Matthias hat noch eine Tochter, die Theresa, und mein zweiter Sohn, Dominik, erwartet im Frühjahr auch Nachwuchs. Es wird also nicht langweilig und das ist gut so.

Du arbeitest leidenschaftlich mit Metall. Wie war dein Einstieg in das Thema, beruflich?
Genau. Ich habe bei der BayWa in Fürstenfeldbruck eine Lehre als Landmaschinenmechaniker absolviert und im Anschluss daran auch meine Meisterprüfung gemacht. Mich hat Metall als Werkstoff schon immer gereizt. Aus einem Stück Metall durch Kraft, Geschick und Kreativität etwas zu entwerfen und zu gestalten, hat auf mich schon sehr früh eine gewisse Faszination ausgeübt. Ich bin bis heute, bedingt durch den elterlichen Hof, seit 1982 auch als Nebenerwerbslandwirt im Bereich Ackerbau tätig und habe schon sehr früh unseren kompletten Maschinenpark repariert und gewartet.

So hatte ich bereits als junger Mann Berührung mit dem Thema Metalltechnik und das hat sich dann weiterentwickelt. Anfang der achtziger Jahre habe ich dann über ein Fernstudium Maschinenbaukonstrukteur studiert und diesen Beruf auch von 1985 bis zu meinem Renteneintritt 2017 ausgeübt.

In welchen Bereichen und Anwendungsgebieten warst du tätig?
Da gab es unterschiedlichste Branchen und Konstruktionen. Ich hatte Projekte und Kunden von der Glühlampenherstellung über die Landmaschinen-Anwendungen, Erodier- und Lasertechnik bis hin zur Kanalreinigung.

Im Bereich Kanalreinigung sprechen wir dann über Reinigungsroboter?
Auch, aber nicht nur. Wir entwickelten Kanalarbeitsroboter für die Innenbearbeitung von Kanalrohren. Für unterschiedliche Anwendungen können Schadensdi­agnosen und Reparaturen im Untergrund ohne Grabungen, Verkehrsbehinderungen oder Lärm getätigt werden. Ausgestattet mit den passenden Werkzeugaufsätzen können Kanalroboter also nicht nur reinigen, sondern auch fräsen, schlei­fen oder spachteln. Dabei werden sie un­terschiedlich angetrieben – pneumatisch, also durch Druckluft, elektrisch oder hydraulisch durch Flüssigkeitsdruck. Über Videosignale von der Kamera des Roboters können alle Aktivitäten und Arbeiten auf einem Monitor überwacht, bewertet und gesteuert werden. Vom Prinzip also vergleichbar mit einem Staubsaugerroboter, nur intelligenter und technologisch fortschrittlicher.

Welche großen Projekte hast du noch unterstützt?
Zum Beispiel Maschinen zum Schneiden von Porenbeton, auch Gasbeton genannt. Es handelt sich dabei um einen eher porösen, mineralischen Baustoff mit geringer Dichte und sehr guter Wärmedämmung. Einer der bekanntesten Hersteller von Porenbeton ist Ytong. Eines meiner letzten und auch größten Projekte war in der Medizintechnik angesiedelt, bei der Herstellung von modernen OP-Leuchten.

Genug gearbeitet. Du bist auch schon sehr lange Abteilungsleiter der Herrengymnastik beim TSV. Wie muss man sich einen Abend bei euch vorstellen?
Ja, mittlerweile habe ich die Leitung schon seit über zwanzig Jahren. Böse Zungen behaupten, auch mangels fehlender Gegenkandidaten ;-)!

Wir sind immer so zwischen zehn und zwanzig Männer im Alter von dreißig bis fünfundachtzig Jahren. Anfangs gibt es ein sehr intensives Aufwärm- und Dehnprogramm von ca. dreißig Minuten und dann spielen wir Volleyball. Immer so an die zwei Stunden oder bis die ersten aufhören, weil sie körperlich an ihre Grenzen stoßen. Zwei Stunden am Stück spielen, ist ziemlich anstrengend und zudem eine ziemliche Belastung für Knochen und Gelenke, wir sind ja schließlich auch nicht mehr die Allerjüngsten!

Du bist in noch einer TSV Abteilung sehr aktiv und hast diese sogar mitgegründet- die Tanzgruppe. Wie kam das?
Die Idee entstand anlässlich eines fünfzigjährigen Geburtstags, zu schon fortgeschrittener Stunde. Mittlerweile sind wir bereits sechs Paare. Wir tanzen hauptsächlich Boogie-Woogie, aber auch mal Walzer oder andere Standard-Tänze. Vor Corona trafen wir uns jeden Freitag und haben ca. eine Stunde getanzt. Danach sitzen wir noch zusammen und verbringen einen netten Abend gemeinsam. Wir freuen uns alle schon, wenn es wieder losgeht.

Auch beim Bühnenbau für die mittlerweile weit über unsere Dorfgrenzen hinaus bekannten Jesenwanger Theateraufführungen bist du schon längere Zeit involviert. Wann begann das eigentlich?
Angefangen haben wir damit bereits in den Achtzigerjahren. Ich habe das dann lange Zeit für den TSV gemacht, bin jetzt aber beim Veteranen – und Gesangverein, wo auch meine Frau, Dagmar, Regie führt.

Gab es da eine ganz besondere Bühne oder spezielle Erlebnisse, die dir sofort einfallen?
Durchaus und zwar beides zu einem Stück: „Sturm vor Sansibar“ vom TSV. Rosemarie Fastl hat das Stück geschrieben und führte auch Regie. Die Aufführung war extrem aufwendig, auch Bühnenbau und Requisiten betreffend. Es war ein Stück in vier Akten mit jeweils wechselnden Bühnen. Höhepunkt war eine Seeschlacht mit Kanonen. Wir haben dann neben dem Schiff auch eine Kanone aus Holz selbst gebaut und für die Explosion beim Schuss war ein Luftballon geplant, gefüllt mit Acetylen, ein Brenngas, welches auch z.B. beim Gasschweißen zum Einsatz kommt. Um sicher zu gehen, dass bei der Aufführung nichts passiert, haben wir natürlich vorher einen Probeschuss durchgeführt, selbstverständlich unter professioneller Aufsicht von Wolfgang Peschke, damals amtierender Feuerwehrkommandant sowie Mitglied des Bühnenbauteams. Bei besagtem Probeschuss lief dann nichts wie geplant. Die Kanone explodierte und zerfiel in ihre Einzelteile. Wir sind alle erst richtig erschrocken, aber es ist niemandem etwas passiert, auch dank Werners Sicherheitsvorkehrungen. Danach haben wir uns alle gebogen vor Lachen und dann natürlich auf den geplanten Einsatz der Kanone während der Aufführung verzichtet. Wir sind halt Bühnenbauer, keine Sprengmeister.

Du bist ja nicht nur passionierter, sondern vor allen Dingen auch sehr talentierter Handwerker. Wie hat sich das über die Jahre entwickelt?
Bereits als Kind in der Schule habe ich im Werken immer sehr gern gebastelt. Verstärkt und auch auf eine professionellere Ebene gebracht wurde das dann natürlich auch durch meine Ausbildung, Meisterprüfung und berufliche Tätigkeit. Ich war bei den Bauprojekten meiner Kinder in fast allen anfallenden Arbeiten sehr stark involviert und mache eigentlich auch zu Hause fast alles selbst. Auch die Ideen meiner Frau für die Gestaltung unseres Gartens geben mir viele Möglichkeiten, meine Begabungen einzusetzen. Dies geschieht auch meist zu Dagmars Zufriedenheit und das ist wichtig. Nur wenn die Frau zufrieden ist, geht´s auch dem Mann gut;-)!

Was waren ganz besondere Projekte für dich?
Da sind zum einen unsere Steinvögel, aber auch mehrere Metallskulpturen. Letztere werden seit zwanzig Jahren immer wieder erweitert, weil dort hauptsächlich Metallschrott zum Einsatz kommt, der auf diese Art recycelt wird. Auch unsere Sonnenblumen, über zwei Meter groß, wurden über mehrere Jahre hinweg konstruiert, denn auch hier werden fast ausschließlich nicht mehr benötigte Verschleißteile und Metallschrott verwendet. Mir gefällt die Idee, etwas ganz Neues, sehr Robustes, aus alten, nicht mehr benötigten Materialen zu schaffen. Eine metallische Reinkarnation, wenn man so will!

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Du hast einen interessanten Punkt gegenüber einem KHV Vorstand, Helmut Tengg-Schlemmer, angesprochen. Es ging darum, dass es die traditionellen, alteingesessenen Stammtische nicht mehr gibt als Treffpunkte für die Menschen in Jesenwang und Pfaffenhofen.
Richtig, das Thema ist mir wichtig und auch ein Grund für meinen Eintritt beim KHV. Als ich jung war, traf man sich am Stammtisch und bitte nicht falsch verstehen, es geht hier nicht um regelmäßigen Alkoholkonsum, sondern darum, Menschen zu treffen und sich auszutauschen. Im Mittelpunkt einer Stammtischrunde stehen das gesellige Zusammensein, politische wie philosophische Diskussionen, die Analyse eines Fußballspiels oder die letzten Neuigkeiten aus unserer Umgebung. Man trifft sich, tauscht sich aus, erzählt, lernt voneinander und so entstehen auch Freundschaften. In Jesenwang war das früher fester Bestandteil in unseren Gasthäusern. Die sogenannten „Altvorderen“, ältere Menschen, die einfach schon viel erlebt und zu berichten hatten, erzählten dann, wie es früher so war und was alles passierte. Es wurde über Brauchtümer und Traditionen berichtet und Geschichten erzählt, meist lustige, aber sehr wohl auch Begebenheiten, welche zum Nachdenken anregten. Es war auch eine Art Überlieferung örtlicher Traditionen, Vorkommnisse und Gepflogenheiten und wir Jungen hingen an den Lippen der Älteren und haben alles förmlich aufgesaugt. Es wurde viel gelacht, aber auch leidenschaftlich und kontrovers debattiert. Das alles fehlt heute. Leider gehen dadurch auch viele Inhalte und vor allen Dingen Wissen verloren, für immer. Mir persönlich fehlen diese Treffen, der Austausch und die Möglichkeit, andere Menschen und ihre Geschichten kennenzulernen. Man sagt ja immer, dass der Zusammenhalt und das Gemeinschaftliche auf dem Land noch besonders verbreitet sind. Allein im Hofbräuhaus in München jedoch gibt es über einhundert Stammtische, also sollte es doch möglich sein, dass wir das in Jesenwang auch wieder auf die Beine stellen können. Ich hoffe, dass das auch ein Thema ist, welches dem KHV wichtig und unterstützenswert erscheint.

Wie viele Leute trafen sich da, wie oft und wo?
Wir waren im Schnitt immer so zwischen zehn und fünfzehn Personen und Stammtische gab es in allen damals noch aktiven Dorfwirtschaften, also beim Huber, Posthalter und Walch. Dass es diese Dorfwirtschaften so nicht mehr gibt, ist natürlich auch Teil des Problems. Stammtischabende waren Donnerstag bis Sonntag und jeder hatte seine speziellen Wirtschaften und Tage. Zudem waren sie auch Anlaufpunkte für die Jugend, die sich dort traf und danach gemeinsam ausging.
Ohne Smartphones damals die einzige Möglichkeit, sich zu verabreden und abzustimmen.

Worauf bist du wirklich stolz in deinem Leben?
Auf meine Familie und was wir hier bei uns zusammen alles erreicht haben. Ein ganz besonderer Dank geht auch an meine Frau Dagmar, ohne sie hätten wir das alles nie geschafft! Was mich in dem Zusammenhang auch sehr freut, ist, dass wir drei Familien auch untereinander ein sehr gutes Verhältnis haben, obwohl wir direkt nebeneinander wohnen und uns fast täglich über den Weg laufen. So können wir auch unsere Enkel regelmäßig sehen und miterleben, wie sie aufwachsen.

Wie entspannst du, was sind deine Hobbies, du bist ja doch ziemlich beschäftigt.
Wir unternehmen gern Fernreisen mit unseren Freunden und auch das Tanzen in unserer Gruppe bereitet mir viel Spaß. Zudem gehen wir mit einem befreundeten Paar seit vielen Jahren fast jeden Sonntag an einem schönen Ort Kaffeetrinken und meine Frau und ich versuchen jeden Mittwoch zu zweit einen Tagesausflug zu unternehmen.

Du bist auch sofort Mitglied beim KHV geworden, was ist deine Erwartungshaltung an den Verein?
Ich würde mir wünschen, dass Altbewährtes gefördert wird und somit erhalten bleibt, aber auch Neues entsteht – beides ist ja bereits der Fall. Zudem würde ich mich, wie bereits erwähnt, sehr freuen, wenn der KHV dazu beitragen könnte, dass die Menschen aus Pfaffenhofen und Jesenwang zukünftig auch wieder an Stammtischen zusammenfinden. So kann der Austausch, die Begegnungen und der Zusammenhalt in, wie auch zwischen den Ortschaften erhalten und gefördert werden.

Danke, Matthias, für deine Zeit!
Schmiede das Eisen, solange es noch heiß ist und mano cornuta, wie wir „Schwer-Metaller“ sagen. Bis bald mal, an einem Stammtisch!

(Bernd Schlemmer für den KHV)