Servus, Werner Nau, Heimatmensch und Traditionsbäcker aus Grunertshofen.
Bereits über 100 Jahre gibt es nun die Bäckerei Nau in Grunertshofen. Seitdem Heinrich Nau am 19. Juli 1909 den Grundstein für das Familienunternehmen legte, wuchs die Bäckerei zu einem festen Bestandteil des Dorf- und Gemeindelebens. Mittlerweile besitzt die Familie fünf Geschäfte im Landkreis, in Fürstenfeldbruck, Mammendorf, Türkenfeld, Geltendorf und natürlich weiterhin in Grunertshofen. Auch die Zukunft des Traditionsunternehmens ist gesichert. Die behutsame Übergabe an die Kinder Raphael und Theresa ist bereits eingeleitet, aber die Eltern Angelika und Werner sind natürlich weiterhin involviert. Eine sanfte Evolution, denn so bleibt das Bewährte erhalten und parallel dazu darf auch Neues wachsen und gedeihen.
Auf das Bild klicken, um die Galerie zu öffnen.
Servus, Werner. Du bist Bäcker mit „Laib“ und Seele – metaphorisch gesprochen. Wann hat dich die Leidenschaft für diesen Beruf gepackt?
Mit wurde das wirklich schon in die Wiege gelegt. Ich bin praktisch in der Backstube aufgewachsen und hab mich schon als kleiner Bub sehr für das Thema interessiert und viel Zeit im Betrieb mit meinem Opa und Vater verbracht.
Wie begann dann dein Einstieg in den Beruf und welche Ausbildungen hast du dafür absolviert?
Meine Lehre habe ich in der Bäckerei Wimmer in Fürstenfeldbruck gemacht. Ich bin Bäcker- und Konditoreimeister und habe auch eine Ausbildung als Koch durchlaufen. Schon in jungen Jahren musste ich dann zurück in den elterlichen Betrieb, aufgrund einer Erkrankung meines Vaters und dem Tod meiner Mutter 1986 – seitdem leite ich auch unser Familien-Unternehmen. Für mich war mein Werdegang immer klar. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass unser Betrieb nun bereits in der fünften Generation von der Familie Nau geleitet wird und sich auch meine Kinder dazu entschlossen haben, das Ganze weiterzuführen.
War es bei deinen Kindern auch so, dass sie bereits zu Beginn ihres Berufslebens direkt bei dir eingestiegen sind?
Nein, genau das Gegenteil war der Fall und das ist im Nachhinein auch sehr gut so. Beide hatten sich zuerst ganz anders orientiert. Unsere Tochter Theresa hat nach ihrem Abitur den Beruf des Blechblasinstrumentenbauers in Mittenwald erlernt und Raphael begann nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Automobilkaufmann.
Aber alle Wege führen nach Grunertshofen, auch derer beiden!
Zwar über Umwege, aber Hauptsache sie kamen an! Theresa hat ihre Ausbildung mit Bravour gemeistert und wurde für ihre herausragende Leistung während der Ausbildung mit dem Bayerischen Staatspreis ausgezeichnet. Es war aber sehr schwer, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. So hat sie dann auch noch die Bäckerlehre inklusive Meisterprüfung absolviert und danach gleich bei uns im Betrieb angefangen. Auch Raphael hat sich neu orientiert und seine Bäckerlehre mit Meisterprüfung gemacht. Zusätzlich hat er dann noch in Wien die Konditorprüfung zum „Staatlich geprüften Zuckerbäcker“ absolviert, vergleichbar mit dem Deutschen Konditormeister. Jedoch, wie ja alle wissen, wird in Österreich das Thema Süßspeisen regelrecht zelebriert und ist daher als Standort geradezu prädestiniert für beste Konditorei-Ausbildungen.
Dass beide über ihre Umwege dann doch noch den Weg in unseren Familienbetrieb gefunden haben, freut uns sehr. Angelika und ich haben nie versucht, Theresa oder Raphael in Richtung Bäckerei zu drängen. So haben eben beide erst mal ganz etwas Anderes gemacht und dann von sich aus, aus freien Stücken, diese Entscheidung getroffen! Wir haben auch schon begonnen, die Übergabephase einzuleiten. Es ist spannend, zu beobachten, wie beide sich engagieren, Dinge mal aus einer ganz anderen Sicht betrachten und auch ihre eigenen Vorstellungen einbringen und umsetzen. Wenn man wie Angelika und ich ein Unternehmen über Jahrzehnte führt, ist es unvermeidlich – und auch notwendig – dass sich bestimmte Routinen und Abläufe etablieren. Solange diese gut funktionieren, denkt man auch nicht darüber nach, etwas zu ändern. Durch unsere Kinder aber wird jetzt alles mit ganz anderem Hintergrund und aus unterschiedlichen Perspektiven durchleuchtet und bewertet. Das ist gut für die Zukunft unseres Betriebes und kommt so auch wieder unseren Kunden zugute.
Habt ihr dann auch die Aufgaben im Betrieb neu eingeteilt, jetzt wo ihr zu viert seid?
Ja, das hat sich praktisch angeboten. Theresa legt ihren Schwerpunkt auf die Bäckerei und Raphael eben mehr auf die Konditorei. Angelika und ich kümmern uns um das Organisatorische und übernehmen strategische Aufgaben, wobei wir natürlich auch alles im Team entscheiden. Da wir jetzt 3 Personen haben, die in der Backstube sehr vielfältig einsetzbar sind, erhöht das auch die Flexibilität im Unternehmen und hilft uns, gewisse Auslastungs-Spitzen leichter aufzufangen.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigst du, um dies alles zu stemmen?
Wir haben 36 Angestellte und bilden auch aus, wann immer wir Bewerber haben, was leider nicht mehr so häufig ist. Unsere Arbeitszeiten sind halt immer noch gewöhnungsbedürftig. In der Bäckerei gehts um 24:00 los und die Konditoren beginnen dann um 02:00. Dafür sind wir aber dann auch um 08:00, bzw. 10:00 fertig und man hat dann tagsüber Zeit, etwas zu erledigen oder im Sommer mal an einen See zu fahren. Wenn man es so gewohnt ist, ist das alles auch kein großes Problem mehr, besonders wie bei uns, wenn die ganze Familie in dem Rhythmus lebt.
Themen wie Qualität und Innovation sind euch ja seit jeher sehr wichtig. Wie bringt ihr das beides unter einen Hut?
Das Ziel war und ist es, damals wie heute, das traditionelle Bäckerhandwerk aufrechtzuerhalten und gleichzeitig mit der Zeit zu gehen. Daher fanden bei uns schon immer innovative Neuerungen Einzug in die Bäckerei, um Arbeitsabläufe zu optimieren und die Qualität zu sichern. So gab es bereits vor zehn Jahren eine große Veränderung im Backbetrieb: Die Anschaffung von Europas modernster Getreidemühle für Kleinbetriebe, erfunden von einem Müllermeister aus Aichach. Eine spezielle Luftkühlung bewirkt, dass das Getreide während des Mahlvorgangs nicht über 28 Grad erwärmt wird. So bleiben dem Keimling alle wertvollen Bestandteile wie Mineralstoffe und Vitamine erhalten. Diese sind von enormer Bedeutung für den Geschmack sowie die Qualität der Backprodukte und beeinflussen damit auch die Gesundheit. Sämtliche Brote werden ausschließlich aus selbsthergestelltem Natursauerteig gefertigt und selbstverständlich enthalten unsere Produkte keinerlei Zusatz- und Konservierungsstoffe.
Ich habe gehört, du hast noch eine Neuerung bei euch installiert, die anfangs nicht unbedingt positiv von deinen Bäckerkollegen bewertet wurde!
Du meinst mit Sicherheit unseren Brezelschlinger. Ja, viele Berufskollegen meinten, das geht gar nicht. Handwerksbäcker, die Wert auf die Qualität ihres Vorzeigeprodukts legen, müssen die Brezen per Hand herstellen. Ich sah und sehe das komplett anders. Im Bäckerhandwerk hielt, wie in vielen anderen Bereichen auch, der technologische Fortschritt Einzug und es war keine Frage, ob das passiert, sondern nur wann und wie umfangreich. Die traditionelle Verarbeitung ist oftmals wegen Mangels an geeignetem Personal und dem Preisdruck nicht mehr so zu bewerkstelligen. Unsere Brezelschling-Maschine garantiert gleichbleibende Qualität und ist ein Quantensprung an Effizienz. Früher hatten wir 4 Mitarbeiter für das Schlingen der Brezen abgestellt. Jetzt schaffen wir das gleiche Pensum mit zwei Personen, und können so Mitarbeiter mit anderen Aufgaben betrauen. Wir produzieren also mehr bei besserer Qualität und zu gleichen Preisen. Davon wiederum profitieren unsere Kunden und auch wir als Unternehmen.
Auch Nachhaltigkeit und Regionalität sind Themen, die euch sehr am Herzen liegen.
Richtig. Das konventionelle Getreide für unsere Vollkorn-Produkte beziehen wir ausschließlich von der regionalen Hofbräuhaus-Kunstmühle. Alle Produkte werden ausnahmslos in unserer Backstube in Grunertshofen hergestellt. Dies ist nicht nur dank der kurzen Transportwege ökologisch sinnvoll, sondern stärkt auch noch die heimische Wirtschaft: Arbeits- und Ausbildungsplätze in handwerklichen Betrieben und in der Landwirtschaft werden so langfristig und ganz gezielt unterstützt und das ist gut für Mensch, Natur und die Region.
Das bedeutet dann auch, dass du keine Teig-Rohlinge zukaufst?
Absolut, so etwas wäre völlig konträr zu unserer Philosophie in Bezug auf Nachhaltigkeit und Produktqualität. Bei uns reift der Sauerteig bis zu sechsunddreißig Stunden mit anschließender Teigruhe von nochmal bis zu achtzehn Stunden! Es gibt viele Gründe, warum es wichtig ist, dass der Teig diese Zeit bekommt. Während dieser Reife- und Ruhezeiten wird die Hefe aktiviert, so wird Fruchtzucker abgebaut, die Aromen entwickeln sich und die Unverträglichkeit von Weizen wird stark reduziert. Darum gibt es bei uns eben keinen Zukauf von Fertigteig-Rohlingen, weil wir hier einfach keinerlei Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen auf Themen wie Qualität, Zutaten oder Ruhezeiten.
Die Frage, „darfs a bisserl mehr sein“, kennt man aus Metzgereien. Bei euch aber könnte man das auch gefragt werden, ihr wiegt eure Ware!
Ja und da sind wir meines Wissens auch immer noch die einzigen in Deutschland. Da bei uns alles in Handarbeit entsteht, kann natürlich auch die Größe und somit eben auch das Gewicht geringfügig variieren. Das spielt jetzt bei einem einzelnen Einkauf keine zu große Rolle. Über alle Produkte hinweg und auf das ganze Jahr gesehen aber kann da schon einiges zusammenkommen. Wir wollen einfach fair sein und unseren Kunden nur wirklich das berechnen, was sie auch tatsächlich bekommen. Sollte eine Semmel also mal etwas kleiner ausfallen, gilt das dann eben auch für den Preis.
Das Thema Qualität zieht sich bei euch wie ein roter Faden durchs Unternehmen und das macht sich dann auch bemerkbar und wird dementsprechend honoriert.
Das stimmt und ist dann wirklich eine schöne Bestätigung für unsere Arbeit. 2022 z.B. erhielten wir den Staatsehrenpreis für das Bäckerhandwerk, bereits zum zweiten Mal nach 2019. Bei der Verleihung in der Residenz in München bezeichnete Ministerpräsident Markus Söder den Preis als „Oscar der Bäcker“. Ausgezeichnet wurden die 20 besten Bäckereien Bayerns. Grundlage für diese Auszeichnung sind herausragende Ergebnisse bei den jährlichen Brotprüfungen des Landesinnungsverbands. Die Bewerber müssen über die vergangenen fünf Jahre hinweg jährlich mindestens fünf verschiedene Brote zur Prüfung erfolgreich eingereicht haben, darunter drei gleichbleibende Brotsorten. Heuer hatten sich 91 Betriebe für die Teilnahme am Wettbewerb qualifiziert, nur 20 erhielten den Preis.
Gerade erst im November 2023 wurde uns auf der „iba“ in München, einer Messe für Bäckerei, Konditorei und Snacks, der Bundesehrenpreis verliehen. Auch hier wird man nur ausgezeichnet, wenn hervorragenden Leistungen über Jahre hinweg erbracht werden. Die Prüfungen finden deutschlandweit statt und werden von den jeweiligen Innungen durchgeführt. Dabei wird unter anderem auf Kriterien wie Oberflächen- und Krusteneigenschaften, Lockerung sowie Geschmack geachtet. Besonders stolz bin auch hier auf unsere Kinder Theresa und Raphael. Die beiden führen unsere Familientradition fort und backen weiterhin nach unseren alten Rezepten und natürlich ohne Fertigbackmittel.
Wie war Corona für euch als Unternehmen, sehr schwierig?
Anfangs schon, denn durch die große Unsicherheit in unserer Gesellschaft wusste ja keiner, wie es weitergeht. Dann aber hat sich die Situation komplett gedreht. Durch Corona haben viele Leute von daheim gearbeitet und konnten so auch mal unter der Woche bei uns einkaufen. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn sie wie gehabt am Arbeitsplatz gewesen wären. So konnten wir viele Neukunden gewinnen und diese auch halten.
Was sind die großen Herausforderungen für euch als Familien-Bäckerei: Discounter, fehlende Mitarbeiter, Kosten, Bürokratie?
Die Discounter sehen wir nicht als tatsächliche Bedrohung. Natürlich können sie Produkte günstiger anbieten, aber eben nicht in vergleichbarer Qualität. Immer mehr Menschen achten bei Lebensmitteln nicht mehr nur auf den Preis, sondern bewerten das Gesamtpaket: Qualität, Bio, Regionalität, Preis-Leistungsverhältnis und Nachhaltigkeit. In all diesen Bereichen sind unsere Backwaren den der Discounter klar überlegen.
Gute Mitarbeiter, auch Auszubildende, zu bekommen und sie in unserem Beruf zu halten, ist schwer, aber wir arbeiten daran und versuchen durch unser Gesamtkonzept als nachhaltiges Familien-Unternehmen zu überzeugen. Probleme bereiten uns die hohen bürokratischen Hürden, aber da sind wir ja nicht allein, was die momentanen Proteste gerade zeigen. Auch die Strompreise sind durch den Ukrainekrieg immens gestiegen und auf einem signifikanten Teil der Mehrkosten sind wir als Betrieb leider sitzen geblieben. Wir konnten das nicht an unsere Kunden 1:1 weitergeben und die Zuschüsse kompensierten das leider bei Weitem nicht.
Wie stehst du zum KHV, du bist ja selbst auch Mitglied
Der KHV hat bei mir mit seinem Konzept und der Ideologie offene Türen eingerannt. Ich liebe und unterstütze seit jeher unser bayerisches Brauchtum und die Traditionen und bin selbst Kirchenpfleger, Obermeister der Bäckereiinnung, Mitglied bei insgesamt sechs Vereinen und besetze zusätzlich noch fünf Ehrenämter. Ich finde es bemerkenswert, was da beim KHV alles angestoßen und unterstützt wird. Veranstaltungen wie die Böllerweihe, das Sommerfest, die Weihnachtsfeier am Waldhäusl, Goaßler, das Kindertheater oder die Böllerschützen sind allesamt ganz fantastische Initiativen, die eine wirkliche Bereicherung des kulturellen Lebens in Jesenwang und Umgebung darstellen. Da kann ich nur gratulieren, den Hut ziehen und ganz herzlich grüßen: „Bitte macht so weiter!“
Lieber Werner, vielen herzlichen Dank für deine Zeit und den interessanten Blick hinter die Backöfen! Ich glaube, ihr erlebt jetzt genau das, was sich jeder Familienbetrieb wünscht: „Man weiß, warum man hart gearbeitet und etwas aufgebaut hat. Es geht weiter, die Kinder führen das Unternehmen in eurem Sinne fort, mit neuen Ideen, frischem Elan, kompetent und immer alles weiterhin basierend auf euren Eckpfeilern: Nachhaltigkeit, Qualität, Regionalität und Kundenzufriedenheit. Alles, was du und Angelika vorgelebt habt, fiel auf fruchtbaren Boden und die Körner sprießen und wachsen. Ihr seid ein wichtiges Traditions-Unternehmen unserer Region und ein absoluter Vorzeigebetrieb, der seinen Worten auch Taten folgen lässt.
Gratulation und macht so weiter!“ (Bernd Schlemmer für den KHV)