Im Gespräch mit Paul Weigl

Wir sprechen mit Paul Weigl, Schulrat a.D., Träger des Bundesverdienstkreuzes, 30 Jahre Kulturreferent im Jesenwanger Gemeinderat, Buchautor und die lebende kulturelle Institution in Jesenwang.

Herr Weigl, Sie sind bekannt für Ihr vielschichtiges kulturelles Engagement, können aber auch auf ein durchaus ereignisreiches und bemerkenswertes Privatleben zurückblicken. Sie sind dreifacher Vater, haben zehn Enkelkinder und hatten dieses Jahr Diamantene Hochzeit, sind also 60! Jahre verheiratet, Gratulation! Was ist das Geheimnis einer 60-jährigen Beziehung? 
Man muss ehrlich und aufrichtig sein. Natürlich gibt es immer mal Themen, bei denen man nicht einer Meinung ist, aber dann muss man halt darüber sprechen und eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden. Wenn sich jeder ein bisschen zurücknimmt und die Meinung des Partners akzeptiert, gelingt das auch.

Sie sind kein gebürtiger Jesenwanger sondern Moorenweiser.
Richtig. Ich wurde 1936 in Moorenweis geboren und ging dort auch die ersten sechs Jahre zur Schule. In der siebten Klasse, das war damals so, wechselte ich dann auf das Deutsche Gymnasium in Freising und habe aufgrund der Entfernung auch dort in einem Schülerheim gewohnt. Nach meinem Abitur studierte ich von 1956 bis 1958 Lehramt auf der Pädagogischen Hochschule in Pasing. Mein Wunsch war es eigentlich, Musik zu studieren. Mein Vater aber machte von seinem Vetorecht Gebrauch. Er meinte, ich hätte ja noch zwei Brüder und es wäre doch besser, sicherer und ertragreicher, wenn ich Lehrer würde – und recht hat er gehabt.

Wie entstand dann Ihre Verbindung zu Jesenwang?
Das lag an einer bayernweiten Stellenausschreibung. In Jesenwang wurde ein Lehrer gesucht, der auch gleichzeitig als Kirchenmusiker und Organist fungieren konnte. Ich bin bis heute begeisterter  Chorleiter und Organist, die Stelle war also wie geschaffen für mich. Ich lernte dann auch bald meine Frau, Maria, kennen und lieben. 1961 haben wir dann auch schon geheiratet und gebaut. Seit 1968 wohne ich fest in Jesenwang. Anfangs war ich auch noch an anderen Schulen tätig, dann aber von 1960 bis 1970 ausschließlich in Jesenwang.

Wann und wie ging es dann weiter nach Jesenwang?
1970 wechselte ich als Rektor zur Schule FFB Mitte. Es wurde mir dann sofort die Leitung der neu entstandenen Schule Nord angeboten. Dies nahm ich gerne an und leitete die Schule zehn Jahre lang als Rektor. 1980 wechselte ich in das Schulamt im Landratsamt und wurde Schulrat. Wiederum zehn Jahre später, 1990, wurde ich Fachlicher Leiter und Schulamtsdirektor im Staatlichen Schulamt in Landsberg am Lech. 2000 ging ich in Pension, fungierte aber noch bis 2007 als Vorsitzender des Oberbayerischen Schullandheimwerks.

An welche beruflichen Höhepunkte erinnern Sie sich besonders gern?
Gemeinsam mit Herrn Huber aus Germering haben wir zwei Kindergesangbücher an alle Kindergärten im Landkreis verteilt und diese wurden sehr gut angenommen. Zusätzlich dazu habe ich in Eigenregie drei Schulbücher verfasst und publiziert.  Privat habe ich auch noch viele Jahre die Jesenwanger Dorfchronik fortgeschrieben und aktualisiert.
Dies waren alles tolle Projekte, die mir viel Freude bereiteten.

Eine beeindruckende Karriere, Herr Weigl, Chapeau! Dies ist aber nur der berufliche Teil Ihres ereignisreichen Lebens. Lassen Sie uns jetzt über den kulturellen und künstlerischen Teil sprechen, wie und wann begann das alles?
Schon sehr früh. Die Musik hat mich schon als kleines Kind in ihren Bann gezogen. Bereits mit zehn Jahren lernte ich Zither. Ich spiele Gitarre, bin Organist, war in Moorenweis Trompeter der Kapelle Schüler und als Chorleiter ist es natürlich nicht von Nachteil, wenn man singen kann. 1970 absolvierte ich dann die Kirchenmusikprüfung in München. Diese berechtigt zum Ausüben einer Tätigkeit als Kirchenmusiker. Die Ausbildung erfolgt in den praktischen Fächern Orgelspiel, Chorleitung, Singen und Klavierspiel. Auch die Gehörbildung und der Tonsatz sind Bestandteil der Ausbildung. 1990 wurde ich Kreis-Chorleiter des Ammersee-Amper-Sängerkreises, AASK. 1992 übernahm ich auch die Leitung des AASK-Projektchors, mit dem wir insgesamt 7 große Chorreisen durchführten, allesamt einmalige Erlebnisse. Die Reisen führten uns dreimal in die USA, nach Kanada, Spanien, Irland und im Rahmen einer Ostseereise auch nach St. Petersburg. Ich bin sehr glücklich, dass ich dies alles nicht nur erleben, sondern auch aktiv mitgestalten durfte.

2011 wurde mir dann während eines Konzertabends anlässlich des 90-jährigen Jubiläums des AASK in der Klosterkirche Fürstenfeldbruck die Silberne Stimmgabel für mein musikalisches Engagement verliehen.

Zusätzlich leiteten Sie noch den Landfrauenchor, wie kam das zustande?
1983 wurde ich gefragt, ob ich mich bereit erklären würde, einmal mit dem Fürstenfeldbrucker Landfrauenchor, der damals aus 30 Bäuerinnen bestand, zu üben. Gern habe ich mich dazu bereit erklärt, dessen Leitung zu übernehmen, denn mir war bereits nach dem ersten Treffen bewusst, dass sie singen können und wollen. Ich fing an, mit den Landfrauen Liedgut im bayerischen Dialekt einzuüben, um dann im Laufe der Zeit immer anspruchsvollere Stücke einzubauen. Die Musik wurde zum Bindeglied des Vereins und in den letzten Jahren war es mehr als nur ein Chor, der bald aus 30-35 Mitgliedern bestand und sich zweimal im Monat traf. Wir waren eine harmonische Einheit und einer unter vielen Höhepunkten war der Auftritt in der Ignatiuskirche 1995 in Rom. Auch der zweite Auftritt in Rom im Jahr 2000 im Petersdom sowie auch die Aufnahmen für den Bayerischen Rundfunk waren etwas sehr Besonderes. Unabhängig vom Landfrauenchor gab es weitere Aufnahmeprojekte wie die beiden Schallplatten: „Brucker Gschichten“ und „Lassts amoi was Boarischs hören“, sowie die CD „Singend durch das Kirchenjahr“.

Ich bin ja schon an die fünfzig Jahre sehr eng mit Ihrem Sohn Reinhard befreundet und war oft bei Ihnen zu Hause. Gefühlt wurde da fast immer musiziert, auch viel mit Jesenwangern.
Das stimmt und begann alles schon sehr früh. Von 1956 bis 1994 leitete ich den Männergesangverein Jesenwang. 1974 gründete ich den Jesenwanger Viergesang und 1978 die Stubnmusik, mit beiden hatten wir 1989 auch einen Auftritt während eines Fernsehgottesdienstes. Auch der Jesenwanger Hoagart, bei dem sich unsere Musiker und Künstler jährlich am Freitagabend vor dem Willibaldritt an der Kirche präsentieren, ist mittlerweile eine gut besuchte und von allen Teilnehmern geschätzte örtliche Tradition.

Sehr bekannt ist ebenfalls Ihr legendäres Adventssingen.
Ja, auch etwas, auf das ich sehr gerne zurückblicke. 2019 gab ich meinen Rücktritt bekannt, nachdem ich die Traditionsveranstaltung 63 Jahre leitete. Irgendwann kam mir die Idee, mal etwas Mundartliches und Alpenländisches zu machen und dies war die Geburtsstunde des Adventssingens im Jahr 1956. Die Willibaldkirche war anfangs nicht die Bühne für das Traditionssingen. Angefangen haben wir zusammen mit der Brucker Metten in der Klosterkirche. Später wechselten die Sänger in den Stadtsaal. Jetzt bietet die Willibaldkirche die Kulisse für die Veranstaltung. Egal aber wo die Chöre und Musiker auftraten, das Singen war immer sehr gut besucht, die Willibaldkirche jedes Jahr voll. Neben diversen Chören und Musikgruppen haben wir in das Programm auch eine Kindergruppe integriert. Angeleitet von Tanja Dilger spielten sieben bis acht Kinder die Weihnachtsgeschichte in Mundart nach. Dazu kamen Lesungen von Claus Peter Huber, der den Zuhörern das über 2000 Jahre alte Weihnachtsgeschehen und die darin enthaltene Friedensbotschaft näherbrachte. Insgesamt hatten wir 60 bis 70 Mitwirkende beim Adventssingen. Es waren traditionelle Weihnachtslieder, bewusst gemischt mit moderneren Liedern, um auch immer wieder mal etwas Neues zu präsentieren.

Herr Weigl, Sie sind auch Träger des Bundesverdienstkreuzes. Aus welchem Anlass erhielten Sie diese Auszeichnung?
Als Chor- und Sängerkreisleiter sowie langjähriger Kulturreferent der Gemeinde durfte ich über Jahrzehnte das kulturelle Leben in Jesenwang und darüber hinaus begleiten und auch ein Stück weit mitgestalten. 2014 erhielt ich von Kultusminister Ludwig Spänle die Auszeichnung in München. Herr Spänle betonte in seiner Laudatio, Zitat „Ohne derart langfristigen ehrenamtlichen Einsatz für die Musik wäre das kulturelle Leben in Bayern um ein Vielfaches ärmer.“ Es hat mich schon sehr stolz gemacht, dass mein Wirken so bewertet wird und es freut mich sehr, wenn ich dazu beitragen konnte, dass unser Liedgut, ganz besonders auch das Bayerische, erhalten und präsent bleibt.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein paar kurze Fragen stellen und bitte Sie, diese spontan zu beantworten.

Sehr stolz bin ich auf… mein musikalisches Wirken, meine schulische Berufslaufbahn und natürlich auf meine Familie.
Was bereuen Sie? Nicht viel.
Ihre Zukunftspläne? Gesund bleiben! Ich hatte 2014 einen schweren Herzinfarkt und 2018 zwei Operationen am Spinalkanal und da wird einem erst richtig bewusst, wie wichtig die Gesundheit ist und umgekehrt, wie unwichtig viele anderen Dinge sind, denen man immer viel Beachtung schenkte.
Ihr Lieblingsessen? Sauerbraten.
Wobei können Sie entspannen? Wenn ich Musik mache.
Wie würden Sie sich selbst beschreiben? Ich gestalte schon gern mit, übernehme Verantwortung und bringe mich mit ein, muss aber nicht in vorderster Reihe stehen.

Jetzt noch eine Frage zum KHV. Was würden Sie gerne sehen oder was erwarten Sie?
Zuallererst finde ich die Idee für einen Kultur- und Heimatverein richtig gut. Auch die erste geplante Aktion, das Kindertheater, welches ja jetzt leider erstmal Corona-bedingt verschoben wurde, ist eine sehr gute Initiative und wurde begeistert angenommen.

Grundsätzlich ist ja so, dass wir uns in Jesenwang nicht verstecken müssen, was unser kulturelles Angebot und die Aktivitäten betrifft. Ich glaube, es gibt wenig Gemeinden in unserer Größe, die ähnlich viel im Bereich Kunst und Kultur auf die Beine stellen. Ich würde mir also wünschen, dass der KHV, wann immer gewünscht, bestehende Aktivitäten unterstützt und fördert, sei es mit Rat und Tat oder auch mal monetär. Parallel dazu wäre es schön, wenn auch neue Ideen auf den Weg gebracht werden. Genau das passiert ja bereits mit der Goaßlertruppe, den Böllerschützen, besagtem Kindertheater oder der leider ebenfalls abgesagten Waldweihnacht.

Herr Weigl, vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke! (Bernd Schlemmer für den KHV)

Trauerrede für Paul Weigl vom 16.06.2023

Liebe Familie Weigl, werte Trauernde,
Paul Weigl hat die Vereinsgründung des Kultur- und Heimatvereins Jesenwang / Pfaffenhofen aktiv unterstützt, ihm waren die Ziele des Vereins ein Herzensanliegen. Wir trauern um unser hochgeschätztes Gründungsmitglied. Noch am 09.10.2022 hat Paul Weigl mit dem Kirchenchor unseren ersten Gottesdienst feierlich, und so wie er war, voller Leidenschaft und Engagement gestaltet. Er war einer unserer ersten Interviewpartner der Rubrik Heimatmenschen. Für dieses dauerhafte Zeitdokument sind wir ihm sehr dankbar. Unzählige Male hat er mit voller Schaffenskraft seinen Beitrag für unsere Kultur und Heimat geleistet. Ich persönlich danke ihm für die musikalische Gestaltung zahlreicher Wortgottesdienste und in dieser Verbundenheit wünschen wir ihm, so, wie er es auch oft gesungen hat:

„Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die Chöre der Engel mögen dich empfangen, ewiges Leben dich erfreuen und mögest du nun mit deiner Stimme einstimmen in den Lobgesang der himmlischen Chöre.“

Wir werden Paul Weigl stets in ehrenvoller Erinnerung behalten. Als Zeichen der Dankbarkeit stellen wir eine Schale nieder.
Ruhe in Frieden.

Für den Vorstand von Alexander Meßner

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